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Acatis-Gründer Hendrik Leber über Religion, Alkohol und die Fehler von VW „Nachhaltigkeit kann naiv sein – auch in Deutschland“

Hendrik Leber, Gründer der Investment-Boutique Acatis
Hendrik Leber, Gründer der Investment-Boutique Acatis

der fonds: Die Idee des nachhaltigen und verantwortungsvollen Investierens findet bei Anlegern immer mehr Anklang. Aber die Umsetzung ist schwer, teils kritisch?

Hendrik Leber: Es ist in der Tat manchmal sehr kompliziert nachhaltig zu agieren, denn es gibt keine allgemeingültigen Normen. Jeder Anleger hat einen anderen Katalog von Ausschlusskriterien. Nehmen wir die katholische Kirche: Die Richtlinien für die Finanzverantwortlichen großer kirchlicher Einrichtungen bezeichnen beispielsweise Investments in Suchtmittel wie Alkohol als durchaus denkbar, untersagen aber kategorisch Abtreibung und embryonale Stammzellforschung. Für Katholiken sind Anlagen in Pharmakonzerne wie Bayer, die hormonelle Verhütungsmittel herstellen, ausgeschlossen. Bei der evangelischen Kirche verhält es sich anders: Sie hat einen viel entschiedeneren Standpunkt was etwa Spirituosenhersteller angeht. Gleichzeitig hat sie aber kein Problem mit Stammzellenforschung oder Abtreibung. Wieder anders würden es Muslime, Juden oder Buddhisten sehen.

Was ist mit Kriterien, die nicht auf religiösen Grundsätzen basieren?

Leber: Da gibt es zum Beispiel ökologische Vereine, die fordern, dass Getreide auf eine bestimmte Weise ohne Gentechnik angebaut wird. Das Problem dabei: Ohne Gentechnik kann die Weltbevölkerung nicht ausreichend ernährt werden.

Welche Nachhaltigkeits-Definition ergibt sich daraus für Sie?

Leber: Ich unterscheide zwischen naiver Nachhaltigkeit – das ist Nachhaltigkeit im konventionellen Sinne – und intelligenter Nachhaltigkeit. Gentechnik im Pflanzenschutz finde ich beispielsweise sinnvoll. Es müssen ja nicht unbedingt Genmanipulationen sein, sondern es können gentechnische Verfahren zur besseren und schnelleren Identifizierung positiver Eigenschaften sein. Damit sollen ja Hybride gezüchtet werden, die mehr Nahrung liefern. Ebenso denke ich über Gentechnik in der Krankheitsbehandlung. Genmanipulationen (zum Beispiel mit CRISPR) können helfen, lebensbedrohende Gene für immer auszuschalten.

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Acatis hat drei Nachhaltigkeitsfonds – den Acatis Fair Value Aktien Global, den Acatis Fair Value Bonds UI und den Acatis Fair Value Modulor Vermögensverwaltungsfonds. Welche Kriterien nutzen Sie bei der Auswahl der Titel?

Leber: Kurz bevor wir die Nachhaltigkeitsfonds aufgelegt haben, fiel uns auf, wie widersprüchlich die allgemeinen Nachhaltigkeits-Kriterien sind. Deswegen haben wir beschlossen, unsere Kunden nach ihrer Meinung zu fragen und die Titelauswahl daran auszurichten. Dabei hat sich herausgestellt, dass Gentechnik in weiten Kreisen durchaus akzeptiert ist. Solche Antworten kommen beispielsweise von Eltern, die kranke Kinder haben und sich von Gentechnik Heilung erhoffen. Daraufhin haben wir an vielen Stellen im Investment-Universum Obergrenzen eingeführt – so entfallen bei unserem Ausschlussprozess zum Beispiel Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihrer Gewinne aus Gentechnik beziehen. Bis zur Toleranzgrenze von fünf Prozent nehmen wir aber Titel auf.

Welche Ratings ziehen Sie bei der Bewertung von Firmen zu Rate?

Leber: Wir haben unseren Katalog mit harten und weichen Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen an die Rating-Agentur imug / EIRIS gegeben, die für uns Nachhaltigkeits-Research betreibt. Manchmal sind wir der Agentur aber voraus. So war zum Beispiel Apple noch gut bewertet, als einer unserer Kunden sagte: „Einer von Apples Zulieferern beschäftigt Zwangsarbeiter in Nepal. Ihnen werden die Pässe abgenommen, und sie werden wie Sklaven behandelt“. Daraufhin haben wir Apple-Titel aus den Fonds genommen – auch wenn die Rating-Agenturen die Firma noch gut bewerten. Ähnlich ist es mit Volkswagen. Ich finde das Verhalten von VW in der Abgaskrise absolut untragbar. Unsere Rating-Agentur hat das Unternehmen aber noch nicht abgewertet.

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