LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in AktienLesedauer: 5 Minuten

Acatis-Gründer Hendrik Leber über Religion, Alkohol und die Fehler von VW „Nachhaltigkeit kann naiv sein – auch in Deutschland“

Seite 2 / 2

Wenden Sie Nachhaltigkeitskriterien auch bei anderen Fonds an?

Leber: Den engeren Definitionskreis von Nachhaltigkeit wenden wir in den drei Nachhaltigkeitsfonds an. Bei den anderen Fonds versuchen wir, die Titelauswahl nach Augenmaß zu gestalten. Das gibt uns eine gewisse Flexibilität.

Was ist hier ausschlaggebend?

Leber: Waffen- und Tabakproduzenten wollen wir nicht in unseren Fonds. Aber wir setzen auch nicht auf Schmuddelfirmen, nur weil sie billig sind. So einen Fall hatten wir mit der britischen Restaurant Group. Kollegen haben dort gegessen und sagten: „Das Essen ist Mist“. Daraufhin haben wir entschieden: Wir müssen nicht etwas haben, nur weil es sich rechnet.

Schließen Sie so nicht gewinnbringende Investments aus? Immerhin ist die treibende Kraft immer noch die Höhe der Rendite.

Leber: Es gibt am Kapitalmarkt genügend Möglichkeiten, gute Titel auszusuchen, die auch Erträge generieren. Und es ist befreiend, schlechte Firmen zu verkaufen. Vor allem beim Thema Unternehmensführung ist es meiner Erfahrung nach wichtig und lohnenswert, die Besten unter den Besten zu finden. Wer Geld in unethische Führung steckt, verliert am Ende immer.

Dafür müssen Sie die Unternehmensstrukturen aber genau prüfen.

Leber: Ja. Aber das macht das Leben auch leichter und ich erspare mir Probleme. Denn ein Unternehmen, dessen Bilanz oder Arbeitsweise bedenklich ist, stellt auch ein höheres Risiko dar. Beispiel Emerson Electric: Eine auf den ersten Blick tolle Firma, doch eine genauere Prüfung der Bücher zeigt hektische Transaktionen, Käufe, Verkäufe. Als ich mir die Anreiz-Struktur des Vorstands angeschaut habe, ist mir aufgefallen, dass sich sein Gehalt nicht am Verschuldungsgrad der Firma bemisst, sondern am Gewinn je Aktie. Das heißt, kreditfinanzierte Akquisitionen steigern seinen Bonus. So etwas führt zu Fehlverhalten.

Nachhaltigkeit spielt in entwickelten Staaten wie Deutschland eine größere Rolle als in Osteuropa oder in Schwellenländern, die ja auch wichtige Märkte sind. Können wir unser Nachhaltigkeitsverständnis und unsere Ansprüche globalisieren?

Leber: Das müssen wir. Ohne Nachhaltigkeit zerstören wir die Welt. Dreckige Kohlekraftwerke verseuchen die Luft und verursachen gigantische Schäden. Aber wir dürfen auch nicht vergessen: Unsere deutschen Rezepte sind manchmal ganz schön verkehrt. Nehmen wir das Beispiel Kinderarbeit in Indien: Ist es nicht besser, wenn ein Kind in einer Fabrik arbeitet, wenn die Alternativen Sklaverei, Prostitution, Arbeitslosigkeit und Hunger sind? Ich will nicht moralisieren. Wer kann schon sagen, was für diese Länder am besten ist? Auch deswegen ist das Thema so komplex.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion