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Aktualisiert am 03.07.2020 - 09:52 Uhrin Artikel aus der fondsLesedauer: 5 Minuten

Aktienrückkäufe Die Mär vom Financial Engineering

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Auch wenn man das nicht gänzlich ausschließen möchte, beruhigt möglicherweise ein Blick auf die Entwicklung der Unternehmensgewinne. Und zwar nicht auf den „Gewinn je Aktie“, der auch steigt, wenn bei gleichem Gewinn weniger Aktien im Umlauf sind, sondern auf den Gesamtbetrag aller Nettogewinne der Unternehmen im S&P 500. Das Jahr 2005 bietet sich deswegen am ehesten an, weil es weder durch Bewertungs- oder Gewinnexzesse (1998 – 2000 oder 2006 – 2008), noch durch die folgenden Einbrüche verzerrt wird. Seit 2005 haben sich die Gewinne – ebenso wie der Gewinn je Aktie und der Index selbst – ziemlich genau verdoppelt. Die Gewinne der Unternehmen stiegen von 0,6 Billionen US-Dollar Ende 2005 auf knapp 1,2 Billionen Ende 2018. Der „Gewinn je Aktie“ für den S&P 500 stieg von gut 76 US-Dollar auf knapp 162 US-Dollar und der Index selbst verdoppelte sich von ca. 1.250 auf 2.500 Indexpunkte. Dies ist übrigens schon deswegen bemerkenswert, als der für die Bewertung im Vergleich zu Aktienrückkäufen sehr viel relevantere Zins inzwischen deutlich gefallen ist. Mit ihm ist über die zurückliegenden Jahre die Bewertung beinahe aller Anlagen deutlich gestiegen. Nur eben in der Breite die der Aktien nicht. Die Unternehmensgewinnrenditen in den USA lagen vor 14 Jahren ebenso bei ca. sechs Prozent wie heute. Die Sorge vor zu hohen Aktienbewertungen ist schon deswegen schwer nachvollziehbar.

Dass der Gewinn je Aktie trotz der Aktienrückkäufe nicht deutlich stärker nach oben verzerrt wurde, liegt übrigens auch daran, dass die Zahl der ausstehenden Aktien über die vergangenen zwei Dekaden nur moderat schwankte. Der Flut von Neuemissionen Ende der 90er Jahre, kräftigen Kapitalerhöhungen in der Zeit der Finanzkrise und die über die vergangenen Jahre immer relevanter werdenden, aktienbasierte Vergütungsmodelle wirken dem Effekt der Share Buybacks entgegen. Heute verteilt sich der Gewinn in den USA sogar auf mehr Aktien als vor zwanzig und auf nur unwesentlich weniger Aktien als vor zehn Jahren. Es trifft allerdings auch zu, dass die Basis über die vergangenen sechs Jahre um knapp zehn Prozent schrumpfte. Auch hier gilt aber: Ob das einen Anteilschein wertvoller oder weniger wertvoll macht, kann man nur von Einzelfall zu Einzelfall beurteilen. Die Betrachtung über den Index hilft hier nicht weiter.

Am Ende entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, wenn speziell Anleger in Deutschland in dem Grund für die Rally an den US-Aktienmärkten eine Form des „Financial Engineering“ vermuten oder unterstellen. Der heimische „Leitindex“ Dax stieg in diesem Jahrtausend um etwa 5.300 Punkte. Dieser Anstieg geht zu 100 Prozent zurück auf Dividenden und somit auf die hierzulande gängige Form der Gewinnausschüttung (vgl. Grafik ).

Dass sie beim Dax mit in die Entwicklung eingerechnet werden, ist weder „richtig“ noch „falsch“, bei den international relevanten Leitindizes jedoch eher unüblich. Diese deutsche Besonderheit könnte man in der Tat als „Financial-“ oder zumindest „Index Engineering“ bezeichnen. Dennoch wäre es Unsinn, zu behaupten, der Dax stünde ohne Gewinnausschüttungen heute 40 Prozent tiefer, ohne zu wissen, wie die Unternehmen die dann eingesparten Ausschüttungen sonst verwendet hätten. Vielleicht hätten sie dann Aktien zurückgekauft?

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