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Pilnys Asia Insights China und Indien: Balanceakt der Wirtschaftsgiganten

Bergstraße im Himalaya
Bergstraße im Himalaya: Indien fürchtet, dass das Gebirge durch den Bau einer Eisenbahnlinie vom tibetischen Lhasa ins nepalesische Khasa seine Funktion als natürliche Barriere zwischen China und Indien verliert | Foto: Imago Images / ZUMA Wire

Eigentlich wären die beiden Volkswirtschaften China und Indien geradezu komplementär – ähnlich groß, alt und bedeutsam. Vor zehn Jahren war viel von „Chindia“ als Rising Star die Rede. Doch obwohl es in der 3000 Jahre andauernden gemeinsamen Geschichte nur gelegentlich zu Grenzscharmützeln im Himalaya, aber nie zu einem großen Krieg kam: In den vergangenen zwei Jahren haben sich verstärkt Spannungen aufgebaut, die sich auf Investitionen und Handel auswirken.

Weil die chinesische Regierung ausländische Investoren durch massive regulatorische Eingriffe schockte und damit die Aktienkurse drückte, gilt nun Indien als Hoffnungsträger. Die Löhne liegen nur bei einem Drittel der in China gezahlten, weshalb viele Unternehmen ihre Produktion dorthin verlagern wollen. Fast die Hälfte der 1,35 Milliarden Inder ist nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) unter 25 Jahre alt und technikaffin. Heute zählen schon 50 Millionen Inder zur Mittelschicht, bis 2030 sollen es mehr als 400 Millionen sein.

Indien will Chinas Einfluss eindämmen

Trotz strikter Maßnahmen der indischen Regierung, wie dem Verbot chinesischer Apps und der Beschränkung von Investitionen aus Ländern mit gemeinsamen Landgrenzen mit China, ist ein vollständiger Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern unwahrscheinlich. Das ist auch auf die Importabhängigkeit etlicher Sektoren in Indien zurückzuführen. Einer der Gründe dafür, dass die indische Regierung im Rahmen des Programms Atmanirbhar Bharat (Self-Reliant India, selbstständiges Indien) die Eigenständigkeit vorantreibt.

Darüber hinaus versucht Indien durch wachsendes Engagement in Südost-, Ost- und Zentralasien den chinesischen Einfluss einzudämmen. Doch nicht nur territoriale Fragen überschatten das indisch-chinesische Verhältnis. Weitere Problemfelder sind Indiens hohes Handelsbilanzdefizit gegenüber China, wobei indische Unternehmen über Zugangsbarrieren zum chinesischen Markt klagen, die wahrgenommene Übermacht des chinesischen Militärs und Chinas Staudammprojekte im Himalaya, die in Indien Befürchtungen zur Zukunft der Wasserversorgung wecken. China wiederum ist die Präsenz des Dalai Lama in Indien ein Dorn im Auge. Hinzu kommt die stetige Verbesserung der Beziehungen Indiens zu den USA, die mit der Unterzeichnung des Abkommens zur zivilen Nutzung der Atomenergie im Jahr 2008 begann.

Chinesischer Hafenausbau verärgert Inder

China forciert bei der „maritimen Seidenstraße“ im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) den Bau von strategisch wichtigen Häfen am Indischen Ozean, was in der indischen Wahrnehmung der Einkreisung durch eine „chinesische Perlenkette“ gleichkommt. Neben dem pakistanischen Hafen Gwadar handelt es sich dabei um den Hafen von Chittagong in Bangladesch, der eine wichtige Rolle für den Zugang zur Provinz Yunnan spielt, den Hafen von Hambantota in Sri Lanka und den Hafen von Sittwe in Myanmar.

Für China stellen diese auf der Route zu den ölproduzierenden Staaten der Golfregion gelegenen Häfen bedeutsame Stützpunkte dar und – bei einem entsprechenden Ausbau der Infrastruktur über Land – potenzielle Knotenpunkte, durch die man auf den Seeweg über die Straße von Malakka verzichten könnte. Erst recht, wenn in Thailand der Khrat Kanal fertiggestellt wird.

Die strategische Lage Indiens an der meistbefahrenen Seeroute der Welt im Indischen Ozean unterstreicht die Bedeutung der indischen Schifffahrtsindustrie, die 95 Prozent des indischen Außenhandelsvolumens abwickelt.

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China hat neben den Häfen auch den Ausbau von Straßen und Eisenbahnlinien in Südasien forciert. Dazu gehört der Chittagong-Kunming-Highway, der den von China erbauten Hafen in Bangladesch mit der chinesischen Provinz Yunnan verbinden soll. Durch eine geplante Eisenbahnlinie, die vom tibetischen Lhasa ins nepalesische Khasa führen soll, würde der Himalaya seine Funktion als natürliche Barriere zwischen China und Indien verlieren, was indische Bedrohungswahrnehmungen verstärkt.

Indien kann von Vorteilen gegenüber China profitieren

Noch hat die Pandemie Indien im Griff, doch die Digitalisierung schreitet voran, erneuerbare Energien könnten die Ölabhängigkeit reduzieren. Sektoren wie Immobilien, Banken, Gesundheitswesen und Technologie bleiben vielversprechend – wenn es nicht zu einem Konflikt mit China kommt. Steigende Lohnkosten, der Handelskrieg zwischen den USA und China sowie die Notwendigkeit einer Diversifizierung der Lieferkette zwingen Hersteller, ihre Produktion an alternative Standorte in Süd- und Südostasien zu verlagern.

Indien und die ASEAN-Staaten werden von diesem Trend profitieren. Indien hat eine Reihe von Vorteilen, die es von Konkurrenten wie China abhebt. Dazu zählen eine stabile demokratische Regierung mit konsistenter und investorenfreundlicher Politik, ein riesiger Binnenmarkt, weiterhin niedrige Lohnkosten, eine wachsende Zahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte bei einer jungen Bevölkerung, Wachstum des verfügbaren Einkommens, Anstieg des Konsums auf dem Land, eine zunehmende Verstädterung (bis 2030 werden nach Schätzungen der Weltbank etwa 42 Prozent der Bevölkerung in urbanen Region leben) und erhebliche Investitionen in die Infrastruktur, die die Lieferkettenverknüpfung erhöhen werden.

Indien als führender Produktionsstandort?

Trotz seiner Vorteile hinkt Indien im Vergleich zu anderen wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften im Bereich Handelsverflechtungen hinterher. So stieg der Staat 2019 aus der Regionalen Umfassenden Wirtschaftspartnerschaft (RCEP) aus. Hauptsächlich wegen Bedenken in Bezug auf billigere Importe, Zollverpflichtungen, der Umgehung von Ursprungsregeln und Auswirkungen auf bestimmte inländische Sektoren.

Aber auch grundsätzlich muss sich Indien in der Wertschöpfungskette nach oben bewegen, um sicherzustellen, dass Zollsenkungen im Rahmen eines künftig abgeschlossenen Freihandelsabkommens die beabsichtigte Wirkung haben und nicht zu einem Anstieg des Handelsdefizits des Landes führen. Indien verfügt mithin über alle Elemente, um zu einem der führenden Produktionsstandorte zu werden – nicht nur in Asien, sondern weltweit.

China und Indien: Ringen um Macht und Einfluss

Obwohl von keiner militärischen Konfrontation in der näheren Zukunft auszugehen ist, bleiben die bilateralen Beziehungen mit China schwierig. Die Großmachtrivalität zwischen China und den USA führt zu weiteren Spannungen im Südchinesischen Meer und dem Golf von Bengalen, wo China und Indien um mehr Einfluss im angeschlagenen Myanmar ringen.

Noch ist es zu früh zu entscheiden, in welche Richtung sich das Verhältnis der beiden Riesen entwickelt – wie bei einem Tanz neigen sie sich einmal der Konfrontation, dann der Kooperation zu. Entscheidend ist das Verhältnis zwischen den beiden Milliardenvölkern für Asien und die Welt allemal.

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