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Aktualisiert am 27.05.2021 - 09:11 Uhrin InterviewsLesedauer: 5 Minuten

Investments in China, Indien und Indonesien „Chinesische A-Aktien haben Aufholpotenzial“

Tilmann Galler
Tilmann Galler: Der Anteil von chinesischen Festlandaktien in ausländischem Besitz hat sich in den vergangenen vier Jahren fast verdreifacht | Foto: J.P. Morgan Asset Management

Herr Galler, Asien stößt bei Anlegern auf immer größeres Interesse: Welche Länder sind hier aus Investorensicht besonders interessant?

Tilmann Galler: Das Lohnwachstum und der steigende Lebensstandard in Asien werden wahrscheinlich die wichtigsten Triebfedern für die wirtschaftliche Entwicklung sowie die Investmentchancen in den 2020er-Jahren sein. In Asien leben rund 60 Prozent der Weltbevölkerung, wobei allein auf China und Indien jeweils 18 Prozent entfallen. Mit dem Anstieg der Einkommen wird die asiatische Mittelschicht bis 2030 um etwa 1,2 Milliarden Menschen wachsen – was den Konsum maßgeblich ankurbeln wird. Bereits in der vergangenen Dekade ist der Anteil Asiens am globalen Konsumwachstum von 25 auf knapp 40 Prozent gestiegen – die erwartete zusätzliche Konsumnachfrage in den kommenden zehn Jahren in Höhe von jährlich 18 Billionen US-Dollar wird den Anteil Asiens am globalen Konsum weiter steigern. Profitieren sollten von dieser Entwicklung insbesondere die bevölkerungsreichen Länder China, Indien und Indonesien.

Was spricht für chinesische Aktien? Gilt mit Blick auf China nicht auch Vorsicht?

Galler: An den Aktienmärkten ist China immer noch unterproportional vertreten. Bis zum Ende des Jahrzehnts wird das Reich der Mitte wahrscheinlich die größte Volkswirtschaft der Welt sein. Eines der Haupthindernisse für ausländische Anleger war in der Vergangenheit die Tatsache, dass sie die von den börsennotierten chinesischen Unternehmen gebotenen Möglichkeiten nicht in vollem Umfang nutzen konnten. Mit der Öffnung des lokalen Aktienmarkts für ausländische Anleger im August 2016 stiegen die Zuflüsse von ausländischen Anlegern jedoch an.

Der Anteil chinesischer Festlandaktien, die sich in ausländischem Besitz befinden, ist auf 3,8 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung gestiegen. Obwohl sich damit der Anteil von in ausländischem Besitz befindlichen Aktien in den vergangenen vier Jahren fast verdreifacht hat, liegt er immer noch weit unter den 27 Prozent in den USA oder den 58 Prozent im Dax. Die chinesischen A-Aktien haben also noch einiges an Aufholpotenzial.

Die Kurskorrektur seit Februar hat lokale chinesische Aktien für langfristige Investoren wieder günstiger werden lassen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist vom 17-fachen des erwarteten Gewinns auf das 14-fache gesunken. Das ist zwar immer noch 15 Prozent teurer als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre, doch im Vergleich zu den Industrieländeraktien, die aktuell mit einem 28-prozentigen Aufschlag handeln, erscheinen die chinesischen Bewertungen durchaus attraktiv. Hier spiegelt sich natürlich auch eine gerechtfertigte Skepsis des Marktes über die Qualität zahlreicher staatsnaher Unternehmen wider. Deshalb sollten Anleger trotz des großen Wachstumspotenzials auch sehr selektiv vorgehen.

Wie stehen Sie zu Indien? Viele Anleger halten seit Jahren Indien-ETFs und fragen sich, warum die Entwicklung des Landes so langsam voran geht.

Galler: Indien ist ein klassisches Beispiel dafür, dass sich überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum nicht zwangsläufig in überdurchschnittlicher Wertentwicklung widerspiegelt. Drei Dinge können dem Investmenterfolg trotz hohem Wachstum entgegenstehen.

Erstens hat der indische Markt aufgrund der hohen Wachstumserwartungen traditionell ein deutlich höheres KGV. Die durchschnittliche Bewertung des indischen Marktes der vergangenen zehn Jahre liegt bei knapp dem 18-fachen des erwarteten Gewinns und damit deutlich höher als in China (12,5-fach). Das bedeutet für Investoren, dass einiges des überdurchschnittlichen Wachstums bereits eingepreist ist.

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Zweitens gibt es auch in Indien nach unserer Ansicht einen nicht unerheblichen Anteil an Unternehmen, die ineffizient geführt werden. Dadurch leidet die Profitabilität und das Umsatzwachstum kommt letztendlich nicht bei den Aktionären in Form von Gewinnen und Ausschüttungen an.

Der dritte Punkt umfasst Inflation, fehlende makroökonomische Stabilität und damit einhergehend eine chronisch schwache Währung: In den vergangenen zehn Jahren hat die indische Rupie gegenüber dem Euro 30 Prozent an Wert verloren.

Also ein schwieriger Markt?

Galler: Trotz dieser Defizite bietet der indische Markt nach unserer Einschätzung exzellente Chancen für die kommenden Jahre. Der Aktienmarkt ist in den vergangenen Jahren reifer geworden. Im Schatten maroder und staatsnaher Unternehmen ist eine Phalanx neuer, sehr gut geführter privatwirtschaftlicher Unternehmen entstanden. Diese befinden sich in einigen Bereichen auf dem Weg zur Weltmarktführerschaft. Indien hat sich zu einem Zentrum für die marktführenden IT-Dienstleistungsunternehmen entwickelt und profitiert von einem geschätzten Anstieg der Ausgaben für die digitale Transformation weltweit um 6 bis 8 Prozent pro Jahr in den kommenden vier Jahren. Für Stockpicker ist Indien sicherlich einer der vielversprechendsten Märkte weltweit.

Auch Indonesien zieht auf die Überholspur. Was ist hier das aus Sicht von Kapitalanlegern Reizvolle?

Galler: Aufgrund der demografischen Entwicklung ist Indonesien, was das Wachstumspotenzial betrifft, durchaus in einer Liga mit China und Indien zu nennen. Doch bei Aktieninvestments sieht die Ausgangslage etwas anders aus. Der Aktienmarkt ist noch relativ unterentwickelt und wenig diversifiziert.

Finanzunternehmen und Telekommunikation dominieren den Index, weshalb wir für Anleger mit Interesse an Südostasien eine breitere Perspektive für sinnvoll erachten. Der ASEAN-Wirtschaftsraum (ASEAN ist der Verband Südostasiatischer Nationen mit den Mitgliedstaaten Brunei, Indonesion, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam, Anm. d. Red.) bietet auch für Aktieninvestoren ein breites und diversifiziertes Anlagespektrum, um vom Wachstum zu profitieren.

Bildungsanbieter verbuchen in Asien wachsende Umsätze. Besteht hier weiteres Potenzial?

Galler: Der wachsende Wohlstand in Asien wird auch die Nachfrage nach Bildungsangeboten weiter erhöhen. Gerade weil in Ländern wie China die verfügbaren Studienplätze sehr begrenzt sind und entsprechend der Wettbewerb sehr hoch ist. Doch die steigenden Bildungsausgaben für Familien und der Leistungsdruck für Schüler werden in zunehmendem Maße auch von der Politik kritisch beobachtet, weshalb die Wahrscheinlichkeit einer stärkeren Regulierung des Sektors zunimmt. Trotz zugrundeliegenden Wachstums dürften deshalb die Margen in den kommenden Jahren unter Druck geraten. Durch das zu erwartende schwierigere Umfeld dürfte sich im Bildungssektor in den kommenden Jahren die Spreu vom Weizen trennen.

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