Karl Pilny im Interview „Das Dreieck China, Korea und Japan ist eins der spannendsten der Weltwirtschaft“
Warum macht Japan das nicht? Japan hat Geld, hat Technologie, Know-how und Infrastruktur. Tokio ist Vorreiter für Mode und Trends. Aber das Land hängt nach wie vor irgendwo mit dem Fuß fest und kommt nicht richtig in die Gänge.
Pilny: Auch wenn Japan, Korea und China die gleiche konfuzianische Prägung haben: Es gibt eben doch kulturelle Unterschiede.
Japan ist nach wie vor extrem feudalistisch und hierarchisch, bis hin zu der Tatsache, dass zum Beispiel in der Grundlagenforschung manchmal immer noch das Senioritätsprinzip gilt, also der ältere Lehrer nicht kritisiert werden darf.
Deswegen sind die Japaner auch so sauer. Sie halten sich für überlegen und es sind dreimal mehr Menschen mit einer sehr reifen Volkswirtschaft. Das Land hatte Korea ganz oft kolonialisiert und besetzt. Deswegen kriegen sie die Krise, wenn überall K-Pop gehört wird. Das ist ein wichtiger Punkt: Südkoreanische Kultur, also Soft Power, ist schwer angesagt, Gangnam Style und so weiter. Bei Mode und Musik hat Korea Japan überholt.
In den letzten 20 bis 30 Jahren ist Japan immer mehr im Quark versunken oder steckengeblieben. Korea ist vorbeigezogen und hat überall gepunktet.
Deswegen sage ich: Hyundai war die bessere Aktie und das bessere Unternehmen im Vergleich zu Toyota. Und Samsung besser als Fujitsu und Sony und Co.
Und es gab in den letzten Jahren immer wieder interessante politische Manöver. Manche japanische Ministerpräsidenten haben versucht, Nord- und Südkorea gegeneinander auszuspielen und so weiter. Also das ist eine extrem komplexe, enge und verschwitzte kulturelle Beziehung zwischen Japanern, Koreanern und Chinesen, aber letztendlich eine Beziehung, die für uns alle wichtig ist.
Wir dürfen nicht vergessen, dass Nordkorea ohne Zweifel eine Atommacht ist, ebenso wie China. Auch Japan könnte das innerhalb von Monaten werden. Deswegen geht uns das alles an, Stichwort Wettrüsten und potenzielle Eskalation in Ostasien bis hin zu der Frage, ob in Ostasien irgendwann der Dritte Weltkrieg ausbricht.
Aktuell sind zwischen China und Taiwan aus meiner Sicht eher keine dramatischen Konflikte zu erwarten. Das Verhältnis zwischen den Staaten ist sehr komplex.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Pilny: Komplex ja, aber man kann natürlich nicht ausschließen, dass es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen kommt. Im Südchinesischen und im Ostchinesischen Meer gibt es beispielsweise viele territoriale Ansprüche. Und es gibt diese No-Fly-Zones, wo sich seit Jahren 24 Stunden am Tag Abfangjäger bis auf wenige Meter nähern. Das ist schon eine sehr angespannte Situation. Wenn jetzt noch ein Dritter dazu kommt, wie Russland mit seinem Angriff auf die Ukraine, dann könnte da auch nochmal ein bisschen was in Bewegung kommen.
Nochmal zum Thema Geldanlage: Was Korea angeht, haben wir schon über ein paar Unternehmen gesprochen, die großen Namen, die man kennt. Hast du eventuell auch aufstrebende Mid-Caps im Blick, die weiter wachsen und demnächst in die Liga von Samsung oder LG aufsteigen könnten?
Pilny: Was Midcaps angeht, sehe ich bislang noch nicht so viel Potential. Südkorea verfügt nicht über so viele gute Mittelständler wie beispielsweise Japan. Es geht tatsächlich vor allem um die großen Konzerne, die massive staatliche Unterstützung erhalten, in denen Innovation stattfindet und aus denen auch Ausgründungen hervorgehen.
Korea ist technologisch ganz weit vorne bei allen angesagten modernen Themen wie Wasserstoff, erneuerbare Energien, Umwelt, Technologie, Smart City, Smart Mobility, Lithium-Ionen-Akkus, Energiespeicher und so weiter. In diesen Industriegruppen kann Südkorea auch dem Vergleich mit den chinesischen Wettbewerbern standhalten. Diese Firmen arbeiten auch eng mit amerikanischen und europäischen Unternehmen zusammen. Investoren sollten sie deshalb ruhig im Blick behalten.
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