Sven Lindner
03.08.2021

Rücksetzer nach Erfolgsjahr Das Wasserstoff-Baby kann zum Riesen heranwachsen

Produktion eines Wasserstoff-Autos
Produktion eines Wasserstoff-Autos: Nicht nur auf der Straße kann das Element seine Stärken ausspielen und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten
© IMAGO / AFLO

Der Stoff der Träume hat die simple chemische Formel H2 – und ist besser bekannt unter dem Namen Wasserstoff. Es ist das am häufigsten vorkommende Element in unserem Universum und ein Hoffnungsträger der Energiewende. Um den Stoff zu gewinnen, wird, vereinfacht gesagt, Wasser unter Strom gesetzt und in seine Bestandteile Sauer- und Wasserstoff zerlegt. Kommt der Strom aus erneuerbaren Quellen, spricht man von grünem Wasserstoff. Dieser Energieträger kann überall dort nachhaltige Abhilfe schaffen, wo Batterien an ihre Grenzen stoßen – also zum Beispiel in der Industrie sowie dem Flug-, Schiffs- und Schwerlastverkehr.

Auch wenn es noch großen Entwicklungsbedarf gibt, um die Kosten zu senken und den Wirkungsgrad zu verbessern: Die Politik sieht in Wasserstoff enormes Potenzial für den Aufbau einer klimaneutralen Wirtschaft. „Wir sehen Regierungen auf der ganzen Welt Wasserstoffinitiativen antreiben. Die EU hat vergangenes Jahr ihre Wasserstoffstrategie vorgestellt, Joe Biden will mit erneuerbaren Energien Wasserstoff vorantreiben und China beispielsweise Wuhan bis 2025 zur Welt-Wasserstoffstadt machen“, erläutert Dominik Schmaus, Produktmanager bei VanEck Europe. Der Vermögensverwalter hat im März 2021 den auf die Wasserstoffbranche fokussierten VanEck Vectors Hydrogen Economy UCITS ETF (ISIN: IE00BMDH1538) an der Deutschen Börse gelistet.

Wertsteigerung um 800 Prozent

Diese politischen Ankündigungen spielten sicherlich auch eine Rolle für die massiven Kurszuwächse innerhalb der Branche im vergangenen Jahr und den Traumrenditen für Anleger. Zwei Beispiele: Die Aktie des Brennstoffzellenhersteller Plug Power stieg 2020 um mehr als 800 Prozent, das Papier des norwegischen Wasserstoffunternehmens Nel ASA legte immerhin 200 Prozent zu. Seit Jahresbeginn stehen die beiden Werte jedoch im Minus. Hat sich der Wasserstofftraum für Investoren also schon ausgeträumt?

Geringe Marktkapitalisierung sorgt für hohe Schwankungen

Nein, sagt Gerd Junker, Geschäftsführer beim auf nachhaltige Investments spezialisierten Vermögensmanager Grünes Geld. Gemeinsam mit der Hamburger Hansainvest hat Grünes Geld im Januar 2021 den Fonds GG Wasserstoff (ISIN: DE000A2QDR59) aufgelegt. Gerade bei neuen Branchen seien auch größere Schwankungen nicht auszuschließen. „Der Sektor steckt noch in seinen Kinderschuhen, vielleicht wie die Internetbranche im Jahr 1995. Wenn das Thema in die Öffentlichkeit gelangt und dort Gelder investiert werden, treibt das aufgrund der kleinen Marktkapitalisierung – alle Pure Player kommen auf nur rund 50 Milliarden US-Dollar – die Kurse stark nach oben.“ Verliere der Finanzmarkt aber kurzfristig sein Interesse, fielen die Kurse hingegen stark. „Dieses Muster werden wir immer wieder sehen“, erwartet Junker. „Auch wenn die Ausschläge mit zunehmender Marktkapitalisierung natürlich immer geringer werden.

Grundsätzlich sieht Junker aber weiterhin Potenzial für die Branche: „Der nachhaltige Wasserstoffsektor wird sich nach Schätzungen renommierter Unternehmensberatungen ungefähr verhundertfachen. Langfristig sollen über ihn rund 20 Prozent der weltweiten Energieversorgung abgewickelt werden.“ Es entstehe also, politisch gefördert, ein riesiger Markt. „Aus dem Baby wird eine Riese werden.“      

Technischer Fortschritt und hohe Investitionen

Dominik Schmaus sieht ebenfalls große Wachstumschancen: „Ich denke, dass sich im Bereich der Wasserstofftechnologie in den kommenden Jahren noch einiges tun wird.“ Erstmals sei die überwiegende Zahl der Länder weltweit an einer klimaneutralen Wirtschaft interessiert. „Es werden Investitionen in dem Bereich getätigt und somit die Transformation beschleunigt. Durch technischen Fortschrift und günstigere grüne Energie wird Wasserstoff mehr und mehr Anwendungsfelder erschließen und der Markt laut der Unternehmensberatung McKinsey bis 2050 auf 1,5 Billionen US-Dollar wachsen.“

Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten

Dieses Wachstumspotenzial resultiert aus den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. „Unserer Ansicht nach wird die kurzfristige Nachfrage wahrscheinlich aus zwei Schlüsselbereichen kommen: Erstens von Industrien wie der Düngemittelherstellung, der Stahlerzeugung und der Raffinerie“, sagt Aanand Venkatramanan. Er ist Leiter der ETF-Anlagestrategien bei Legal & General Investment Management (LGIM), dem Anbieter des L&G Hydrogen Economy UCITS ETF USD Acc (ISIN: IE00BMYDM794). Zwar seien diese Branchen bereits jetzt auf Wasserstoff angewiesen, würden jedoch auf fossilen Brennstoffen basierenden grauen Wasserstoff nutzen und hätten daher einen hohen CO2-Abdruck.

Als zweiten Bereich nennt er Langstrecken- und industrielle Mobilitätsanwendungen wie Schwerlastkraftwagen, Gabelstapler, Bergbau-LKW und möglicherweise auch große Personenfahrzeuge. „Mittel- bis langfristig könnte die Nachfrage aus den Bereichen Schifffahrt, Eisenbahn und Flugverkehr sowie Heizungsanwendungen und Stromerzeugung steigen.“

Venkatramanan geht davon aus, dass sich die Akzeptanz von grünem Wasserstoff aufgrund der bevorstehenden politischen Unterstützung durch Regierungen auf der ganzen Welt sowie aufgrund des anhaltenden Rückgangs der Produktionskosten verbessern könnte. „Wir glauben, dass wir uns an der Schwelle zu einem mehrere Jahrzehnte anhaltenden Wachstum befinden.“

Die drei genannten Fonds im Überblick

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

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