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Union-Investment-Studie Deutsche verlieren in drei Jahren 79 Sparmilliarden

Junge Frauen am Geldautomaten
Junge Frauen am Geldautomaten: Trotz anhaltend niedriger Zinsen setzen viele Deutsche weiterhin auf Bargeld und Sichteinlagen | Foto: IMAGO / Panthermedia

Die vergangenen Jahre waren für Sparer eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Einerseits kletterte die Sparquote der Deutschen von 10,9 Prozent im Jahr 2019 auf 16,2 Prozent ein Jahr später. Andererseits zahlt sich das Sparen für viele Bundesbürger kaum aus, weil sie das Geld überwiegend in niedrig- bis negativverzinste Anlageklassen anlegen.

Allein 2020 parkten deutsche Sparer knapp zwei Billionen Euro an Bargeld auf Giro- oder Tagesgeldkonten, über 229 Milliarden Euro mehr als noch im Jahr zuvor. Mittlerweile machen Bargeld und Sichteinlagen fast ein Drittel des Geldvermögens aus (28,7 Prozent), obwohl diese Anlageformen seit Jahren kaum oder keine Renditen abwerfen. „Das Girokontosparen liegt weiter im Trend. Viele Deutsche haben die Möglichkeit, mehr Geld auf die hohe Kante zu legen, aber sie vernachlässigen dabei die wichtige Frage nach dem Wie“, erklärt Prof. Oscar Stolper von der Philipps-Universität in Marburg, der dem Phänomen im Auftrag von Union Investment nachgegangen ist.

Sparer verloren zwischen 2017 und 2020 rund 79 Milliarden Euro

Die Konsequenzen werden immer spürbarer: Die Kombination aus niedrigen Zinsen und einer – wenn auch möglicherweise nur vorübergehend – anziehenden Inflation sorgen dafür, dass der Kaufkraftverlust deutscher Sparer in diesem Jahr einen Rekordwert erreichen dürfte.

Etwa 1,7 Billionen Euro des gesamten deutschen Finanzvermögens sind Sichteinlagen, deren Realverzinsung, also die Zinsen nach Abzug der Inflationsrate, bereits in den vergangenen 20 Jahren fast durchgehend negativ war. Allein zwischen 2017 und 2020 haben Sparer dadurch etwa 79 Milliarden Euro an Kaufkraft verloren. Dieser Wertverlust könnte sich noch verschärfen. Denn: Der Inflationsanstieg drückt deutlich auf die Erträge. Tatsächlich kletterte die Inflationsrate in Deutschland im Mai 2021 um 0,5 Prozent auf 2,5 Prozent und lag auch im Juni mit 2,3 Prozent weiterhin auf hohem Niveau.

Eine Beispielrechnung zeigt, wie stark angespartes Vermögen innerhalb von nur zehn Jahren abschmelzen kann: Wer zu Beginn 10.000 Euro bei einer Inflationsrate von zwei Prozent und einem Zinssatz von null Prozent anlegt, verliert im Laufe einer Dekade rund 1.797 Euro an Kaufkraft – und damit annähernd ein Sechstel seines Vermögens. „Sparern, deren Geldanlage stark zinsabhängig ist, steht ein realer Vermögensverlust bevor, den viele so noch nicht kannten“, warnt Stolper.

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Ertragskraft von Zinsprodukten nimmt weiter ab

Die Zahlen zeigen, dass sich die Verhältnisse im Vermögensaufbau massiv verändert haben. Während sich das Vermögen der Sparer früher vorrangig durch Zinsen vermehrt hat, trägt heute lediglich das Sparaufkommen zum Wachstum bei. Aufgrund der niedrigen Verzinsung von Girokonten, Tages- und Festgeldern dürfte es Anlegern zunehmend schwerfallen, die Folgen der Teuerung allein durch Sparanstrengungen zu kompensieren.

Der Anteil, den Erträge an der Vermögenszunahme ausmachen, nahm 2020 noch einmal um fünf Prozentpunkte gegenüber 2019 auf magere 19 Prozent ab. Zum Vergleich: 2011 konnte der Vermögensaufbau noch zu 87 Prozent aus Erträgen generiert werden. Betrachtet man nur die Ertragskraft von Zinsprodukten und klammert etwa kapitalbildende Versicherungsprodukte aus, ergibt sich 2020 ein Kapitalzuwachs von gerade einmal einem Prozent (2011: 47 Prozent). „Die Deutschen sparen weiter viel, aber ineffizient“, sagt Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment. „Im Niedrigzinsumfeld gilt, dass höhere Sparquoten nicht zwangsweise zu steigenden Erträgen führen. Damit sich die Sparanstrengungen der Anleger lohnen, müssen sie effizienter und damit höherrentierlich anlegen.“

Anleger zeigen sich renditeorientierter

Hoffnung machen die Sparer, die zunehmend andere Anlageformen wie Direktanlagen in Aktien, Fonds oder andere Anlageformen nutzen. Stolper fällt auf, dass zumindest ein Teil der Anleger im Jahr 2020 bereits renditeorientierter als in den Jahren zuvor anlegte. So stieg der Anteil von Aktieninvestments am Gesamtvermögen der Deutschen um 0,7 Prozentpunkte auf 11,6 Prozent an (2019: 10,9 Prozent). Das sei der höchste Wert seit mehr als 12 Jahren (2008, drittes Quartal: 12,3 Prozent). Auch der Anteil von Investmentfonds am Gesamtfinanzvermögen blieb im Vergleich zum Vorjahr mit 10,5 Prozent konstant.

Dennoch lagern noch immer mehr als 40 Prozent des Gesamtfinanzvermögens in wenig rentierlichen Anlagen. „Wir sehen, dass der Trend zur Evolution des Sparens bei einer zunehmenden Anzahl von Anlegern Wurzeln schlägt. Klar ist aber auch, dass ein breiter Teil der Bevölkerung Unterstützung dabei benötigt, nicht unter Wert zu sparen“, sagt der Geschäftsführer. „Sparen heißt Konsumverzicht und ist für jeden mit Aufwand verbunden. Für diesen Einsatz sollten die Menschen nicht mit Kaufkraftverlusten bestraft werden, sondern sich mit einem realen Vermögensaufbau belohnen.“

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