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Zinswende eingeleitet Die Fed macht Schluss mit lustig

Im Fokus der Marktteilnehmer
Im Fokus der Marktteilnehmer:innen: Fed-Chef Jerome Powell muss die Zinswende meistern, ohne die Konjunktur abzuwürgen | Foto: imago images / Xinhua

Nicht erst seit der Fed-Sitzung Ende Januar geht's an den Märkten ruppig zu – und das dürfte auf absehbare Zeit auch so bleiben. Gottfried Urban, Geschäftsführer von Urban & Kollegen GmbH Vermögensmanagement, geht von weiterhin anhaltenden Schwankungen aus. „2022 ist generell ein Wendepunktjahr. Und solche Phasen wie die jetzige dauern meist zwei bis vier Jahre“, sagt Urban. Er hätte eher Mitte des Jahres mit der Ankündigung einer Zinserhöhung gerechnet. Zinserhöhungen der Federal Reserve zwischen 1 und 1,5 Prozent können dem Markt richtig wehtun. „Um eine Zinserhöhung in Höhe von 1 Prozent zu kompensieren, müssten die Unternehmensgewinne, vereinfacht gesprochen, um mindestens 10 Prozent zusätzlich ansteigen“. 

Im Jahr 2015 hat das Auffangen in den USA geklappt, da der damalige Präsident Trump die Steuern stark gesenkt hat. Diese Unterstützung gibt es derzeit nicht. Da die Notenbanken an der Stabilität der Märkte interessiert sind, werden sie ihre Maßnahmen behutsam kommunizieren und ausführen. „Wir investieren gerade mehr in Value-Aktien aus dem Technologiebereich mit einem KGV um und unter 20. Hier sehen wir noch Luft nach oben“. Der Asset Manager agiert aber „momentan vorsichtiger, da viele Unternehmen, die in den vergangenen Jahren gewachsen sind, gerade eine kleine Wachstumspause einlegen.

Gerade für Renten- und Mischfonds sind die möglichen Zinserhöhungen der Federal Reserve derzeit Urban zufolge „eine Herausforderung, da die Erträge aus den Coupons zu gering sind, um die negative Gesamtwertentwicklung auszugleichen. Gold gehört für ihn trotz seiner derzeitigen Schwäche noch mit einem Anteil zwischen 5 und 10 Prozent ins Portfolio, einen Teil davon am besten zuhause in physischer Form. Aktieninvestments sollten Anleger aus Urbans Sicht derzeit mit wertorientierten Fondsprodukten absichern, da die Märkte in diesem Jahr weiter ruppig bleiben könnten. Vorsicht ist bei Absolute Return-Produkten geboten, denn man kann sich nicht sicher sein, ob sie an Wendepunkten funktionieren.“

Fed dürfte Zinsen im März anheben

Der erste Zinsschritt der Fed dürfte nahen. „Im Vorfeld haben die Märkte ihre Erwartungen auf vier Zinserhöhungen um 25 Basispunkte im Jahr 2022 erhöht“, sagt Nicolas Forest, Global Head of Fixed Income bei Candriam. Forest geht wie viele andere Marktteilnehmer:innen davon aus, dass Fed-Chef Jerome Powell die Zinsen bei der nächsten Sitzung im März zum ersten Mal anheben wird.

„Der Chef der US-Notenbank hat ein ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem“, sagt Eckhard Schulte, Vorstandsvorsitzender von MainSky Asset Management. War noch vor einigen Monaten die Rede davon, dass er „vor 2023 nicht einmal an eine Zinserhöhung denken würde“, steht nach der gestrigen Sitzung des Offenmarktausschusses nun auch offiziell einer „baldigen Zinserhöhung“ nichts mehr im Weg. Auch wenn Powell den Termin dafür noch nicht genannt hat, am 16. März dürfte das schnelle Auslaufen des Anleihekaufprogrammes und eine anschließende Zinserhöhung zumindest aus geldpolitischer Sicht das Ende der Pandemie besiegeln.“ 

Sieben Zinserhöhungen der Fed in diesem Jahr?

„Wir sehen es mithin als wahrscheinlich an, dass es 2022 zu sechs, im Extremfall sogar sieben 25-Basispunkte-Schritten kommt, natürlich immer vorausgesetzt, dass Wirtschaft und Finanzmärkte nicht von Schocks getroffen werden“, sagt Andreas A. Busch, Senior Economist des Asset Managers Bantleon. Ausgehend von der Fed-Sitzung hält auch Nick Chatters, Fixed Income Manager bei Aegon AM, sieben Zinserhöhungen 2022 für möglich. 

William Verhagen, Senior Economist bei NN Investment Partners, teilt diese Meinung nicht. Das wäre aus seiner Sicht „nur dann der Fall, wenn die Inflation bis in die zweite Jahreshälfte hinein ansteigt und sich das Lohnwachstum weiter beschleunigt“. Die Zinsschritte könnten allerdings früher kommen als gedacht. Zum generellen Vorgehen der Fed sagt Verhagen: „Wahrscheinlich ist die Fed der Ansicht, dass vorbeugen besser ist als heilen: Indem sie jetzt handelt, verringert die Fed das Risiko, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt viel stärker und schneller an der Zinsschraube drehen muss“.

Das sieht auch Christian Scherrmann, US-Volkswirt der DWS, so. Das Wachstum ist nach wie vor lebhaft, aber die Inflation extrem hoch. „Was früher eine Frage von Jahren war, ist heute höchstwahrscheinlich nur noch eine Frage von wenigen Monaten.“ Die US-Notenbank scheine entschlossen den Kampf gegen die Inflation aufzunehmen – oder genauer gesagt gegen die leicht nach oben driftenden Inflationserwartungen. „Wenn sich die Wirtschaftsprognosen sowie die Annahmen bezüglich der Omikron-Variante wie erwartet entwickeln, werden Letztere mit Sicherheit die Leitschnur für die US-Notenbank sein – Aufwärtsrisiken bei den Zinserhöhungen nicht ausgeschlossen.“

Es wird schwierig für die Fed, den geldpolitischen Kurs zu ändern

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Auch die Woche mit Crashs an den Märkten hat wenig dazu beigetragen, die Fed von ihrem beschleunigten Straffungsprogramm abzubringen, sagt James McCann, Deputy Chief Economist bei abrdn. Der Grund dafür: „Während die Zentralbank in der Vergangenheit empfindlich auf Marktstress reagiert hat, ist es schwieriger, den Kurs zu ändern, wenn die Inflation bei 7 Prozent liegt, die Arbeitslosenquote unter 4 Prozent, das Lohnwachstum sich beschleunigt und die Realzinsen tief im negativen Bereich liegen.“ 

Alles in allem habe die Fed bekräftigt, dass es auf den starken Aufschwung ankommt und nicht auf die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten, sagt Paolo Zanghieri, Senior Economist bei Generali Investments. „In den nächsten Wochen könnte sich zeigen, inwieweit sie dabei bleibt“. Die Wirtschaft ist aus der Sicht von Zanghieri „in der Lage, vier Zinserhöhungen in diesem Jahr zu verkraften“. Ein aggressiverer Kurs der Federal Reserve wird wahrscheinlich „eher eine größere Anzahl von Zinserhöhungen beinhalten als größere Schritte, die die Finanzbedingungen zu sehr destabilisieren könnten.“

Aus der Sicht von Paul O’Connor, Head of Multi-Asset bei Janus Henderson Investors, war die Sitzung der Fed „nur eine Etappe auf dem Weg zur globalen geldpolitischen Normalisierung“. Die Schwierigkeiten des Aktienmarktes bei der Bewertung der Folgen des globalen Zinsanstiegs und dem Ende der Anleihekäufe der Zentralbanken werden „wahrscheinlich noch viele Monate lang das beherrschende Marktthema für globale Aktien bleiben“.

Chance-Risiko-Profil bei Aktien könnte sich durch Fed-Entscheidung verschlechtern

Laut Forest wird auch Frankfurt bald die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dort hält die Europäische Zentralbank (EZB) in der kommenden Woche ihre erste geldpolitische Sitzung dieses Jahres ab und wird wahrscheinlich nicht mit den USA gleichziehen. Ansonsten behalten Investoren die US-Berichtssaison im Blick. „Während die bisherigen Anzeichen darauf hindeuten, dass die Gewinndynamik weiterhin hoch ist, lassen die hohen Bewertungen der US-Aktien kaum Spielraum für Enttäuschungen“, ist O’Connor überzeugt.

Eckhard Schulte ist der Meinung, dass sich das Chance-Risiko-Profil von Aktien im Laufe des Jahres verschlechtern wird. „Während sich in den vergangenen 18 Monaten die Strategie am Aktienmarkt, bei Schwäche zu kaufen, stets als richtig erwiesen hat, könnte sich nun gerade bei hoch bewerteten Wachstumsaktien ein Verkaufen bei Stärke als der erfolgreichere Weg herausstellen“. In den kommenden Monaten sei mit einer höheren Volatilität zu rechnen, so dass sich dazu noch genug Gelegenheiten bieten sollten.

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