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Aktualisiert am 10.08.2021 - 09:29 Uhrin Nachhaltigkeit, ESG & SRILesedauer: 3 Minuten

Fehlender Standard Die Krux mit ESG-Ratings

Kunstwerk der Erde in Greenwich, London
Kunstwerk der Erde in Greenwich, London: Verschiedene ESG-Ratingagenturen blicken oft unterschiedlich auf ein und dasselbe Thema | Foto: IMAGO / PA Images

Responsible Investing (RI) gibt es bereits seit einiger Zeit. Doch die damit verbundenen Herausforderungen und Themen haben erst in den vergangenen Jahren stärker an Bedeutung gewonnen. Wir beobachten gerade eine nachhaltige Revolution, die unsere Gesellschaft durchzieht – mit entsprechenden Folgen für viele Branchen und Unternehmen.

Im Laufe der Jahre haben Verbraucher, Unternehmen und Regierungen gleichermaßen den Wunsch und den Anspruch geäußert, mehr für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft zu tun. „Dadurch ist es aber auch schwieriger geworden, die Übersicht zu behalten“, warnt Malcolm McPartlin, Portfoliomanager bei Aegon Asset Management.

Eine der Herausforderungen, mit denen sich Investoren konfrontiert sehen, seien die Bewertungen von ESG-Ratingagenturen. Das liege vor allem an der Mehrdeutigkeit, Subjektivität und den unterschiedlichen Überzeugungen im RI-Universum. ESG habe sich bereits als subjektives Thema erwiesen, da es noch immer keine einheitliche Definition gibt. „Infolgedessen wird der sehr formelhafte Einheitsansatz von Ratingagenturen zu einem zunehmend stumpfen Instrument angesichts der Komplexität des Themas“, sagt McPartlin.

Widersprüchliche Ergebnisse

„Der Mangel an Kontinuität in den Definitionen und an konsistenten Daten führt in Verbindung mit dem Fehlen einer einheitlichen Methodik innerhalb der Agenturen zu verzerrten Ergebnissen“, so der Aegon-Experte. Denn es sei immer wieder zu beobachten, dass völlig gegensätzliche Ansichten zu identischen Themen und Fragestellungen bestehen.

„Neben dem Problem einer einheitlichen Vorgehensweise neigen einige Agenturen dazu, sich auf Geschäftsmethoden und nicht auf Produkte zu konzentrieren“, erklärt McPartlin. Das wiederum führe dazu, dass Unternehmen, von denen man normalerweise annimmt, dass sie schlecht für die Umwelt sind, einen hohen ESG-Score erzielen. Der Fondsmanager nennt Tabakunternehmen als Beispiel: Sie können gut abschneiden, weil es bewährte Verfahrensweisen in den Bereichen Unternehmensführung, Vielfalt und Integration sowie einen guten Nachhaltigkeitsbericht gibt. „Aber am Ende des Tages ist es immer noch ein Tabakunternehmen.“

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Umgekehrt könne ein Biotech-Unternehmen, das an einem bahnbrechenden Heilmittel gegen Krebs arbeitet, aber keinen Nachhaltigkeitsbericht vorlegt oder über keine ideale Unternehmensführung verfügt, eine schlechte ESG-Bewertung erhalten. „Und genau da liegt das Problem.“

Standardisierung: Quantitativer Ansatz nicht zielführend

„Wir beobachten allmählich eine agenturübergreifende Konsolidierung“, sagt McPartlin. Eine Standardisierung wäre ein guter Schritt – allerdings könnten nicht alle Daten vereinheitlicht werden. Quantifizierbare Ergebnisse wie Kohlendioxidemissionen und Wasserverbrauch ließen sich leicht standardisieren. Doch es werde schwieriger, wenn es um Themen im Zusammenhang mit der Unternehmensführung geht.

„In der gesamten Branche stellen wir fest, dass Ratings von einem quantitativen Ansatz geleitet werden und sich auf diese Daten konzentrieren“, gibt McPartlin zu bedenken. Obwohl die von den Ratingagenturen gesammelten Daten eine großartige Informationsquelle darstellen, gehe dieser Ansatz oft am Gesamtbild vorbei, sodass Investoren mit ihren Schlussfolgerungen sehr vorsichtig sein sollten.

Deutschland als gutes Beispiel

„Ratingagenturen in Deutschland hingegen verfolgen einen anderen Ansatz. Sie befragen sowohl den Fondsmanager als auch das Unternehmen, um ihre Philosophie, ihre Prozesse und Überzeugungen kennenzulernen und die Ratings auf diese Ergebnisse zu stützen“, sagt der Experte. Es bestehe ein großer Bedarf an Ratingagenturen, die verstehen, was Unternehmen tun und wie sie handeln. Diese Erkenntnisse müssten sie für die Erstellung eines Ratings nutzen, das auf qualitativen Maßstäben beruht.

„Aufgrund der subjektiven Natur von ESG wird es allerdings immer wieder Grauzonen und Debatten geben“, betont McPartlin. Nachhaltigkeit und Governance seien qualitative Themen und würden es auch bleiben. Doch ein strenger Bottom-up-Ansatz könnte Abhilfe schaffen, da dieser am besten die Nuancen, Produkte und Werte der einzelnen Unternehmen erfassen kann.

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