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Aktualisiert am 16.07.2020 - 15:28 Uhrin AktienLesedauer: 6 Minuten

Emerging Markets Zeit, die Schwellenländer-Allokation zu überdenken?

Alejandro Arevalo, Schwellenländerexperte Jupiter AM
Alejandro Arevalo, Schwellenländerexperte Jupiter AM: „Das Anlageuniversum umfasst 83 Länder, die sich in unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus befinden und in denen 85 Prozent der gesamten Weltbevölkerung leben“ | Foto: Jupiter AM

Seit dem globalen Ausverkauf im März hat es eine Flut an negativen Schlagzeilen über Schwellenländer gegeben. Angefangen von Sorgen über mögliche Schuldenumstrukturierungen und Unternehmensausfälle bis hin zu den negativen Auswirkungen fallender Öl- und Rohstoffpreise. Doch viele dieser Meldungen spiegeln die Realität nicht vollständig wider. Stattdessen wird der gleiche Fehler gemacht wie schon viele Male zuvor: das Schwellenländeruniversum wird fälschlicherweise als homogene Einheit betrachtet.

In Wirklichkeit sind die Schwellenländer jedoch sehr verschieden, wodurch sich wiederum viele Möglichkeiten zur Diversifizierung ergeben. Das Anlageuniversum umfasst 83 Länder, die sich in unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus befinden und in denen 85 Prozent der gesamten Weltbevölkerung leben. Die aktuelle Coronavirus-Pandemie wird einige Schwellenländer besonders hart treffen und längerfristige Folgen mit sich bringen, doch das gilt nicht für alle Schwellenmärkte gleichermaßen. Darüber hinaus bietet die Anlageklasse der Schwellenländeranleihen eine breite Diversifikation. Dies umfasst Anleihen mit einer Bonität von AAA bis CCC und Laufzeiten von bis zu 100 Jahren über verschiedenste Sektoren hinweg – darunter sowohl Unternehmens- als auch Staatsanleihen sowie Anleihen in Hart- und Lokalwährung.

Drei zentrale Treiber der Schwellenländermärkte

Schwellenländeranleihen waren im März mit drei wesentlichen Herausforderungen konfrontiert: Kapitalabflüsse, ein Einbruch der Ölpreise und Covid-19. Allerdings haben in den vergangenen Monaten auch genau diese Themen – stabile Kapitalflüsse, Öl und eine Aufhebung der Corona-Lockdowns – die Erholung dieser Anlageklasse maßgeblich vorangetrieben.

  1. Kapitalflüsse:

Laut EPFR Global verzeichneten Schwellenländeranleihen im bisherigen Jahresverlauf fast 57 Milliarden US-Dollar an Kapitalabflüssen. Das entspricht rund 11 Prozent des gesamten verwalteten Vermögens. Im März floss das Kapital sogar schneller ab, als während der globalen Finanzkrise.

Aktuell scheint sich die Lage jedoch stabilisiert zu haben und erste Gelder fließen bereits in die Anlageklasse zurück. Der Markt funktioniert mittlerweile auch besser, da Anleger begonnen haben, angemessen zwischen den verschiedenen Anlagemöglichkeiten zu unterscheiden. Zudem konnten wir eine Wiederbelebung von Neuemissionen beobachten: Seit Jahresbeginn wurden fast 260 Milliarden US-Dollar an neuen Anleihen emittiert, wovon rund 100 Milliarden US-Dollar allein im letzten Monat auf den Markt kamen. Wir haben hier eine weitere gute Ertragsquelle gefunden, da Staaten und Unternehmen ihre Anleihen zuletzt mit einem Aufschlag anbieten mussten – unabhängig von den zugrunde liegenden Fundamentaldaten.

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  1. Öl:

Der Einbruch der Ölnachfrage und eine weltweite Angebotsflut sorgten im April für ein außergewöhnliches Phänomen: negative Ölpreise. Seither haben sich die Notierungen am Ölmarkt jedoch erholt, da die Nachfrage aus den USA und anderen großen Volkswirtschaften wieder gestiegen ist. In Kombination mit Angebotskürzungen hat dies die Preise in die Höhe getrieben.

Doch obwohl sich die Ölpreise erholt haben, werden vermutlich einige Schwellenländer wie Angola, Nigeria, Oman und Bahrain bei diesen Preisniveaus weiterhin zu kämpfen haben. Aber auch hier gilt, dass die Schwellenländer nicht alle gleich sind. Niedrige Ölpreise kommen all jenen Schwellenländern zugute, die Ölimporteure sind – wie etwa Indien, Ägypten, Georgien, China, Indonesien und die Türkei.

  1. Covid-19:

 Genau wie für die entwickelten Märkte, lässt sich auch für die Schwellenländer schwer voraussagen, welche Auswirkungen die Covid-19-Pandemie auf jedes einzelne Land haben wird. Wir können aber sehr wohl zwischen Regierungen unterscheiden, die sinnvolle Schritte unternommen haben, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und ihre Wirtschaft zu unterstützen, und all jenen, die aufgrund fehlender Maßnahmen stärker in Mitleidenschaft gezogen werden dürften.

Positiv zu vermerken ist, dass viele Schwellenländerregierungen dieselben Maßnahmen ergriffen haben, wie wir sie in den Industrieländern beobachten konnten – sprich Abstandsregeln und Reisebeschränkungen. Darüber hinaus fangen in einigen dieser Länder auch die Notenbanken an neu zu denken, indem sie Liquidität in den Markt bringen und Staats- und Unternehmensanleihen kaufen. Andererseits beobachten wir weiterhin aufmerksam Länder wie Mexiko und Brasilien, deren Regierungen leider das Virus zu Beginn nicht ernst genug genommen haben. Diese müssen nun vermutlich mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen rechnen. Auch in Bezug auf Afrika bleiben wir vorsichtig, da es dort an Ressourcen fehlt, eine große Armut unter der Bevölkerung herrscht und die Menschen sehr dicht beieinander leben.

Wir werden in einer Welt mit immer höheren Haushaltsdefiziten leben, da die Regierungen viel Geld in die Hand nehmen, um ihre Wirtschaft zu unterstützen. Außerdem werden bereits existierende Schwächen jetzt erst richtig zum Vorschein kommen. Auf der anderen Seite verfügen zahlreiche Schwellenländer mittlerweile über deutlich stabilere Kapitalmärkte, als bei der letzten Krise. Diese lokalen Märkte werden von den Ländern mittlerweile aktiv genutzt, um sich liquide Mittel zu beschaffen und um Haushaltseinnahmen und -ausgaben im Gleichgewicht zu halten.

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