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Experten-Gespräch zu überhitztem Aktienhandel, verzerrten Börsen und Robo-Lösungen „Ich bin kein Sklave der Märkte“

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War es früher – also vor der Digitalisierung – anders?

Leber: Auf jeden Fall. Im Fenster der Banken hing abends ein Blatt mit dem Schlusskurs des Aktienindex. Alles war langsamer. Die Handelszeiten waren kürzer, die Informationen wanderten nicht so schnell zwischen Anlegern hin und her und die Märkte waren nicht in dem Ausmaß miteinander vernetzt, wie sie es heute sind. Vor der Digitalisierung hat n-tv noch berichtet „Der Markt öffnet freundlich und zeigt eine positive Tendenz“. Derartige „Trends gibt es heute nicht mehr.“

Wie gehen Sie mit der Schnelllebigkeit der Märkte um?

Leber: Ich kann nicht schnell, ich kann nur langsam. Das bedeutet, dass ich genau hinschaue und abwäge, ob ich einen Titel kaufe oder nicht. Wenn ich merke, dass eine Aktie aufgrund der Dysfunktionalität der Märkte unterbewertet ist, kann ich sie günstig kaufen. Ich versuche, gegen die Kurzatmigkeit des Marktes zu agieren und richte meine Perspektive langfristig aus.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Leber: Nehmen wir die erwähnte Leoni-Aktie als Beispiel. Als der Kurs der Aktie in die Tiefe stürzte, war bereits klar, dass es sich um einen Computerdeal handelte, der durch Stichworte ausgelöst wurde. Unabhängig von dem Betrugsskandal und den damit verbundenen Verlusten war das Unternehmen jedoch gut aufgestellt. In so einem Fall ist es durchaus sinnvoll, eine Aktie zu kaufen. Aktuell sind Cognizant oder Novo Nordisk Beispiele für eine Überreaktion.

Es ist aber schwer, Entwicklungen richtig zu prognostizieren.

Leber: Natürlich. Der Orientierungsrahmen fehlt. Es gibt kein Vernunftskriterium. Anleger müssen sich aber auf ihre eigene Meinung verlassen und hoffen, dass auch die Kapitalmärkte sich irgendwann vernünftig verhalten. Die Gefahr dabei ist, dass Märkte lange Zeit sehr merkwürdig agieren können. Dann hätten Investoren zwar die richtige Entscheidung getroffen, lägen aber dennoch falsch.

Welche Verhaltensweisen lassen sich daraus für Investoren ableiten?

Leber: Anleger sollten immer langfristig denken und sich fragen: „Wird es diese Firma in zehn Jahren noch geben – trotz Börse?“ Wenn man diese Frage mit „Ja“ beantworten kann, steht einer Investition nichts im Weg. Außerdem sollten Anleger immer eine eigene Wertvorstellung von Unternehmen haben. Wenn ein gutes Geschäftsmodell vom Markt schlecht bewertet wird, sollten Anleger Anteile kaufen, sobald der Marktwert unter den fairen Wert fällt.

Welches Fazit ziehen Sie für sich?

Leber: Was auf den Kapitalmärkten vor sich geht, ist Wahnsinn und so wird es auch bleiben. Aber ich muss nicht jedes Spiel mitspielen und zum Sklaven des Marktes werden. Ganz im Gegenteil.

Das Gespräch führten Elena Ekkert und Sarah Steiner

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