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Aktualisiert am 10.06.2020 - 14:32 Uhrin Artikel aus der fondsLesedauer: 4 Minuten

Extrem hohe Bewertungen Warum Unigestion in wachstumsbezogene Werte umgeschichtet hat

Die Märkte sind seit fast einem Jahrzehnt von den Zentralbanken und ihrer sehr expansiven Geldpolitik getrieben. Das Gegenmittel, das zur Bewältigung einer der schlimmsten Finanzkrisen der Geschichte dienen sollte, ist für die meisten Investoren zu einer harten Droge geworden. Vor sieben Jahren versprach EZB-Präsident Draghi „alles zu tun um den Euro zu retten“. Die letzte EZB-Sitzung bestätigte dies erneut, wenngleich es nur sehr wenig Konsens unter den EZB-Ratsmitgliedern gab.

Derzeit stellt sich die Billionen-Dollar-Frage, ob zusätzliche Maßnahmen der Zentralbanken bei der Bekämpfung rezessiver und vor allem deflationärer Kräfte erfolgreich sein werden. Nach sieben Jahren geldpolitischem Stimulus scheinen die Handelsmöglichkeiten begrenzter denn je. Dennoch reagierte der Markt auf die Zinssenkung und die zusätzlichen geldpolitischen Maßnahmen der EZB in der vergangenen Woche, als ob „die Welt nicht genug“ wäre.

Makro: Die erste negative Inflationsüberraschung überhaupt

Das Hauptproblem der Zentralbanken ist (noch?) nicht das Risiko einer Rezession, sondern ein konstantes Unterschreiten der Inflationsziele, was wiederum zu einer schädlichen Deflation führen könnte. Die Notenbanker, insbesondere der Fed, sind jedoch weiterhin zuversichtlich, dass zurzeit die Risiken einer globalen Rezession trotz der Inversion der Zinskurve gering sind. Die mangelnde Inflation steht im Mittelpunkt: Wie ist es möglich, dass trotz unbegrenztem Geldzufluss und dem längsten Aufschwung aller Zeiten ein so geringer Preisdruck besteht?

Weltweit wirken säkulare Kräfte, welche die Inflation belasten. Diese umfassen unter anderem die Demografie (die Auswirkungen des Alterns auf das Konsumverhalten), Automatisierung (Druck auf die Löhne) und Digitalisierung. Seit der Finanzkrise fehlen auch zyklische Elemente wie der Rohstoffzyklus und Investitionen. In der Regel steigen die Rohstoffpreise nach anhaltenden Wachstumsperioden und beeinträchtigen sowohl Verbraucher als auch Unternehmen, die unter höheren Inputkosten leiden. Zurzeit jedoch zeigt unser Inflations-Nowcaster nicht nur eine Abschwächung der Inflation an, sondern auch, dass keine einzige Inflationskomponente Anzeichen von Preissteigerungen aufweist: Löhne, Inputpreise, sowie die importierte und erwartete Inflation sind niedrig und sinken in allen Industrie- und Schwellenländern. Infolgedessen haben die Zentralbanken den Spielraum, mehr billiges Geld in das System zu pumpen, um das Wachstum zu verlängern und die Inflation wiederzubeleben.

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Marktstimmung: EZB stimmt Anleger missmutig

Der Erwartungen an die Zentralbanken sind seit Anfang des Jahres massiv gestiegen ebenso wie die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbanker die Investoren enttäuschen werden. Der Markt erwartet, dass die Zinsen in den G10-Ländern, mit Ausnahme der Nordischen Länder, im Laufe des nächsten Jahres um insgesamt 250 Basispunkte gesenkt werden. In den USA rechnen die Anleger immer noch mit drei Zinssenkungen in den nächsten zwölf Monaten. Die Reaktion des Marktes auf die EZB-Sitzung weist auf eine klare Enttäuschung hin. Obwohl Mario Draghi eine Zinssenkung ankündigte und den Kauf von Wertpapieren wiederaufnahm, stiegen Bund-Renditen um 10 Basispunkte am Ende des Handelstages. Die Positionierung in Hedging Assets, insbesondere in Anleihen, hatte vor der Sitzung ein extremes Niveau erreicht. Zudem war die Tatsache, dass die Entscheidung auf einem niedrigen Konsens beruhte, nicht genügend, um die Erwartungen der Investoren zu befriedigen.

Bewertungen: Bleiben hoch

Alle Anlageklassen sind zurzeit hoch bewertet, insbesondere im defensiven Anlagespektrum. Im August fielen die Renditen von Staatsanleihen auf historische Tiefststände, der japanische Yen wertete bis auf das Niveau von Februar 2018 auf und die implizite Volatilität blieb trotz steigender Risikobereitschaft relativ teuer. Es stellt sich nun die Frage, ob wir die diesjährige Marktrallye und somit die höheren Bewertungen von der „normativen“ oder „pragmatischen“ Seite anschauen sollen. In der Regel braucht es jedoch einen Katalysator damit große Sektor-/Anlage-Rotationen ausgelöst werden. Eine negative Überraschung der Zentralbanken könnte ein Auslöser für einen solchen Ausverkauf in äußerst konzentrierten Positionen sein. In der Tat haben die Zentralbanken extrem hohe Bewertungen in diversen Anlageklassen geschaffen, die oft sogar als Vermögensblasen bezeichnet werden. Investoren müssen sich bewusst werden, dass die Handlungsmöglichkeiten der Zentralbanken immer eingeschränkter werden und sollten daher verstärkt auf die Asymmetrie (Risiko/Ertrag) in den Anlageklassen achten. Zurzeit ist die geldpolitische Unterstützung in vollem Gange und dementsprechend werden die Bewertungen sehr wahrscheinlich auch hoch bleiben.

Portfoliopositionierung: „Risk-on“, aber wachsam

Die größten Risiken eines diversifizierten Portfolios sind Korrelationsverzerrungen, oder sogar Schocks. Die erwarteten Korrelationen stützen sich auf historische Wechselwirkungen zwischen Anlagen, die weitgehend durch geldpolitische Maßnahmen manipuliert wurden. Bisher war dies ein unterstützender Faktor für die meisten Vermögenswerte, doch die Gefahr einer mittelfristigen Umkehr der Wechselbeziehungen wird immer größer. Im Moment scheinen Hedging Assets am anfälligsten zu sein. Die Gründe dafür sind eine Kombination aus Resilienz im Wirtschaftswachstum, extremer Positionierung und angespannten Bewertungen. Aus diesem Grund haben wir unser Engagement in defensiven Anlageklassen erheblich reduziert und in wachstumsbezogenen Vermögenswerte umgeschichtet. Wir haben das Engagement in Aktien, Unternehmensanleihen und Volatilität (auf der Short-Seite) erhöht.

Unsere Aufmerksamkeit richtet sich zurzeit auf die Zinsentscheidungen der anderen G10-Zentralbanken und wie die Anleger auf diese reagieren werden. Sie könnten uns erste Indizien liefern, dass deren Maßnahmen nicht mehr ausreichen, um den Optimismus der Anleger aufrechtzuerhalten und uns dazu zu bewegen, unser Markt-Exposure weltweit zu reduzieren. Damit wäre „die Welt nicht genug“.

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