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Finanzexperten zum Italien-Referendum Viel Rauch, aber kein Feuer

Eigentlich wollte sich Italiens Staatschef Matteo Renzi mit dem Referendum zur Verfassungsreform nur Rückendeckung vom Volk beim Versuch holen, ein antiquiertes und dringend überholungsbedürftiges institutionelles System zu modernisieren. Ziel war es, den politischen Entscheidungsprozess in Italien zu beschleunigen. Doch die erhoffte politische Neujustierung ist fehlgeschlagen. Das „Nein“ ist eine herbe Schlappe für Renzi. Sein Versuch, die politischen Entscheidungsprozesse im Land zu beschleunigen und die Macht seiner Mitte-Links-Regierung zu festigen, ist gescheitert.

Dieser von den Marktteilnehmern bereits im Vorfeld erwartete Ausgang der Wahl zieht eine Vielzahl von Konsequenzen nach sich. Die Zinsen kurzfristiger italienischer Anleihen dürften steigen, das Gefälle zu den Staatsanleihen der übrigen großen Eurozone-Mitglieder dürfte zunehmen. Auch die Volatilität an den Aktienmärkten dürfte sich erhöhen, nicht nur in Italien sondern insgesamt in Europa. Mittelfristig besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Italien von den Rating-Agenturen abgestuft wird – die Kosten für neue Kredite steigen damit.

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Patrice Gautry, Chefvolkswirt bei Union Bancaire Privée (UBP), sieht Italien vor einer neuen Periode politischer Unsicherheit. „Die auf den Nägeln brennenden wirtschaftlichen Reformen lassen sich angesichts der politischen Unsicherheiten nicht umsetzen“, bedauert Gautry. Der Ausgang des Referendums laufe nun auf baldige Neuwahlen hinaus. Die nächste Parlamentswahl hätte erst im zweiten Quartal 2018 angestanden; nun müsse eine Interimsregierung den Haushalt für 2017 verabschieden und die Rekapitalisierung der Banken vorantreiben. Weil das Wirtschaftswachstum weiterhin unter 1 Prozent verharren werde, dürfte sich nach Meinung der Union Bancaire Privée die Finanzlage Italiens verschlechtern und infolgedessen die Verschuldung steigen.

Monica Defend, Head of Global Asset Allocation Research, und Cosimo Marasciulo, Head of European Government Bonds, bei Pioneer Investments, erwarten von einer Übergangsregierung die Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes sowie ein Vorantreiben des Reformprozesses in Italien. „Kurzfristige Neuwahlen sind derzeit kein wahrscheinliches Szenario, da die Parteien große Anreize haben, eine Koalition zu bilden und das Wahlrecht zu reformieren, ehe die Wähler wieder zu den Urnen gehen“, blicken die Pioneer-Experten voraus.

Jon Jonsson, Senior Portfolio Manager Global Fixed Income bei Neuberger Berman, sorgt sich insbesondere um die italienischen Banken. „UniCredit, Banca Popolare und allen voran Monte dei Paschi di Siena standen das ganze Jahr lang aufgrund ihrer hohen Zahl fauler Kredite unter enormem Druck“, jetzt werde das „Nein“ das Vertrauen der Märkte in eine Erholung der italienischen Volkswirtschaft erschüttern, schätzt Jonsson ein. „Die Unsicherheit der Marktteilnehmer im Zusammenhang mit dem wachsenden Euro-Skeptizismus in der Eurozone dürfte zunehmen und italienische Staatsanleihen aber auch risikoreiche Assets in Europa unter Druck bringen.“ Allerdings ruft Jonsson Anleger zur Geduld. Etwaige kräftige Kursverluste sollten genutzt werden, um attraktiv bewertete Aktien zu kaufen. „Europa hat mit seiner wirtschaftlichen Entwicklung, außenpolitischen Themen und der Flüchtlingskrise zu kämpfen, doch wir sind sicher, dass es mit der Zeit gelingt diese Probleme in den Griff zu bekommen.“

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