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Finanzexperten zum Italien-Referendum Viel Rauch, aber kein Feuer

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Bei Finanzwerten bieten sich Kaufchancen

Juan Nevado, Manager des M&G Dynamic Allocation Fund, sieht vor allem bei italienischen Banken Kaufchancen: Für ihn sehen die Bewertungen vieler italienischer Banken „nach wie vor überzeugend“ aus. „Selbst bei den Häusern mit den gesündesten Bilanzen sind extrem negative Entwicklungen bereits eingepreist. Aus unserer Sicht braucht es kaum gute Nachrichten – oder sogar nur weniger schlechte – um eine signifikante Neubewertung auszulösen.“

Auch die FERI-Gruppe beschwichtigt die Ergebnisse des Italien-Referendums: „Die Märkte werden diesen Ausgang verschmerzen. Sie haben aus den politischen Wendungen, die das Jahr 2016 bislang brachte, gelernt“, argumentiert Dr. Heinz-Werner Rapp, Vorstand und Chief Investment Officer von FERI. Das negative Italien-Votum sei schon im Vorfeld antizipiert und quasi „eingepreist“ gewesen: Aktienmarkt und Staatsanleihen zeigten in den vergangenen Wochen ausgeprägte Schwächen, die Risiko-Spreads seien bereits seit August deutlich angestiegen, und auch der Euro habe zuletzt deutlich abgewertet. FERI rechnet deshalb damit, dass moderate negative Marktreaktionen nach dem Italien-Referendum nur kurzfristig anhalten. Anschließend könnten Gegenbewegungen und sogar leichte Markterholungen eintreten, weil vor dem Referendum umfangreiche Leerverkäufe gegen Italien getätigt wurden. „Jetzt werden diese Positionen wieder eingedeckt, was den Euro und italienische Staatsanleihen kurzfristig stabilisieren dürfte“, so Rapp. Kam der Brexit für die Finanzmärkte noch völlig überraschend, trat nach dem Wahlsieg von Donald Trump der allgemein erwartete Absturz der Märkte erst gar nicht ein. „Das Reaktionsmuster der Kapitalmärkte hat sich grundlegend gewandelt“, bilanziert Rapp.

Neil Dwane, Global Strategist bei Allianz Global Investors, beschreibt den Ausgang des Referendums als „eine schallende Ohrfeige für Renzi und kann auch als Abfuhr für die EU und den Euro gewertet werden – ein weiteres Scheitern einer etablierten Partei und Politik, nach Brexit und Trump.“ Sollten die Finanzmärkte in den kommenden Tagen und Wochen zum Schluss kommen, dass Italien mit einer nahezu permanent stagnierenden Wirtschaft die letzte Chance zur Schaffung eines effizienten Regierungssystems vertan hat, könnte es brenzlig werden. Doch die EZB werde alles dafür tun, die Sorgen zu besänftigen. „Die Absage für Renzi und seine Reformpläne dürfte zu einem deutlichen Anstieg der Finanzierungskosten für italienische Schuldner führen. Für sie und die EZB, deren Politik hierdurch unterminiert wird, ist dies eine schlechte Nachricht.“ Wie EZB-Chef Mario Draghi darauf reagiert, werde sich bei der nächsten Sitzung der Zentralbank am 7./8. Dezember zeigen.

Wolfgang Kuhn, Head of Pan European Fixed Income bei Aberdeen Asset Management, erwartet vom EZB-Rat eine Verlängerung des Anleihenkaufprogramms um sechs Monate sowie die Beibehaltung des gegenwärtigen monatlichen Umfangs von 80 Milliarden Euro. „Jeder Sorge um die Zukunft der Gemeinschaftswährung steht ja immer schon das implizite Versprechen des EZB-Präsidenten entgegen, Marktpreise nicht mehr von Erwartungen bestimmen zu lassen. Es ist folglich auch nicht an den relativ moderaten Renditebewegungen abzulesen, was die Gesamtheit der Marktteilnehmer in Bezug auf das Referendum wirklich denkt. Freilich könnte die Kapitalerhöhung der Banca Monte dei Paschi di Siena einen Beleg dafür liefern, wie es um die Risikofreude der Märkte tatsächlich bestellt ist, denn vor dem Erwerb von Aktienkapital scheuen die Euro-Währungshüter bisher noch zurück.“

Auch für Paul Brain, Head of Fixed Income bei Newton Investment Management aus dem Hause BNY Mellon Investment Management (IM), ist sicher, dass die EZB ihre Liquiditätsversorgung vollumfänglich aufrechterhält. Weil durch die weiteren Folgen des Votums – nämlich Neuwahlen – Italiens Verbleib im Euro gefährdet sei, dürften sich italienische Anleihen jedoch volatil zeigen. Brain geht allerdings davon aus, dass ein Euro-Ausstieg Italiens eher unwahrscheinlich sei und rät: „Schwanengesänge zum alsbaldigen Niedergang der Eurozone sollten ignoriert werden.“ Doch obwohl – anders als bei Brexit und US-Wahl – das Ergebnis des Verfassungsvotums in Italien von den Investoren erwartet wurde, gelte es jetzt die längerfristigen Auswirkungen von erstarkenden Anti-Establishment-Parteien in Europa im Blick zu behalten.

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