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Aktualisiert am 03.07.2020 - 10:54 Uhrin Artikel aus der fondsLesedauer: 3 Minuten

Florian Eberhard im Interview „Die Psyche des Menschen passt nicht zur Börse“

Diplom-Psychologe Florian Eberhard
Diplom-Psychologe Florian Eberhard: „Anleger bevorzugen Aktien, die sie besonders gut zu kennen glauben.“ | Foto: GKFX

der fonds: Herr Eberhard, welche psychologischen Mechanismen wirken bei Investitionsentscheidungen?

Florian Eberhard: Es gibt eine Vielzahl von Mechanismen im menschlichen Denken, die den Rahmen unseres Interviews sprengen würden. Prominente Beispiele sind der sogenannte „Home Bias“ sowie das Überschätzen geringer Wahrscheinlichkeiten. Beim „Home Bias“ investieren Anleger bevorzugt in Werte, die sie besonders gut zu kennen glauben. Beispielsweise investieren deutsche Anleger vornehmlich in den Dax, obwohl sich womöglich international viel aussichtsreichere Investitionschancen bieten.

Zum Überschätzen von Wahrscheinlichkeiten kann ich Ihnen ein Beispiel aus einer spannenden Studie nennen. Die Studienteilnehmer wurden gefragt, wofür sie sich eher entscheiden würden: ein 1:1.000-Verlustrisiko von 5.000 Euro oder einen sicheren Verlust von 5 Euro? 83 Prozent der Studienteilnehmer haben sich hier für den sicheren Verlust von 5 Euro entschieden, obwohl das Risiko für den Verlust bei lediglich 0,1 Prozent liegt. Von diesem Phänomen lebt die ganze Versicherungsbranche.

Welche menschlichen Denkmuster sind an der Börse besonders problematisch?

Eberhard: Problematisch ist eigentlich, dass sich die menschlichen Denkmuster und Heuristiken nicht gut mit dem Börsenhandel vertragen. Die Mehrzahl der Marktteilnehmer verkauft beispielsweise starke Aktien zu früh und hält viel zu lange an schwachen Aktien fest. Anleger wollen Schmerzen um jeden Preis vermeiden und bewerten Verluste und Gewinne zudem auch noch unterschiedlich.

Wie unterscheidet sich die Bewertung?

Eberhard: Nehmen wir an, Sie haben ein 100.000 Euro Depot und machen 1.000 Euro Gewinn. In der Regel werden Sie diesen Gewinn emotional weniger stark empfinden als einen 1.000 Euro Verlust. Folglich sitzen Sie den Verlust lieber aus, aber realisieren den Gewinn zu früh.

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Können Anleger sich selbst überlisten?

Eberhard: Mit dem richtigen Coaching geht so etwas sehr gut. Es gibt psychologische Tricks, wie man diese Fallen umgehen kann. Ich habe einen Mitarbeiter einer Bank in dieser Hinsicht gecoacht und die Prozesse der Informationsverarbeitung der Händler optimiert. Zudem habe ich gezielt computerisierte Handelssysteme entwickelt, die das menschliche Denkmuster einbeziehen. Diese Denkmuster lassen sich übrigens nicht nur beim diskretionären Handel finden. Sie stecken auch in den Handels-Algorithmen der Börsen, da diese ebenfalls von Menschen mit ihren Denkmustern programmiert wurden.

Könnten Psychologen theoretisch an der Börse erfolgreicher sein als Wirtschaftsexperten?

Eberhard: Davon gehe ich aus. Ich kenne beide Sichtweisen und bin fest davon überzeugt, dass klassische wirtschaftstheoretische Modelle an den heutigen Finanzmärkten ihre Gültigkeit verloren haben. Das Problem ist, dass wir sogar wissen, dass die Modelle nicht funktionieren, aber sie dennoch nutzen, da wir noch keine besseren haben. 

Welche Schwerpunkte setzen Sie in Webinaren zur Börsenpsychologie?

Eberhard: In meinen Webinaren zur Börsenpsychologie bette ich klassische finanzmarkttheoretische Grundlagen in die Psychologie der Marktteilnehmer ein. Die Schwerpunkte unterscheiden sich je nach den Teilnehmern. Ein Privatanleger hat andere Bedürfnisse als ein institutioneller Kunde. Natürlich richte ich mich auch nach den Zielen und der Erfahrung der Teilnehmer. Je nachdem, ob sie als Daytrader finanzielle Unabhängigkeit anstreben und einen Weg suchen, eine profitable Handelsstrategie zu entwickeln oder ob Sie mehr über die allgemeinen Verhaltensmuster der Marktteilnehmer erfahren möchten. Die Psychologie an der Börse ist so vielfältig, dass nahezu alle Themen mit ihr im Zusammenhang stehen. Dennoch wird in Webinaren immer noch vorwiegend die Markttechnik gelehrt.

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