Seit dem coronabedingten Börsencrash im Februar und März 2020 befinden sich die Finanzmärkte weltweit im Aufwärtstrend. 2021 jagt an der Börse ein Rekord den nächsten: Der Dax notierte kürzlich bei 15.450 Punkten, der Dow Jones bei 34.000 Punkten und der Nasdaq bei 14.000 Punkten. Viele Anleger sind in Champagnerlaune. Warum also jetzt verkaufen?
Viele Wirtschaftszweige haben sich bereits von den Folgen der Corona-Krise erholt. Zwar beruht das Kursfeuerwerk zum Großteil auf den beispiellosen fiskal- und geldpolitischen Maßnahmenpaketen. Doch die jüngsten Entwicklungen haben gezeigt, dass der Renditeanstiege bei US-Staatsanleihen nicht notgedrungen zu Aktienkursverlusten führen muss. Zudem kommen die Impfungen voran und die ersten Volkswirtschaften haben den Lockdown bereits hinter sich gelassen. Saisonalität spielt dabei keine Rolle. Sollten Anleger sich dennoch nach der alten Börsenweisheit „Sell in May and go away, but remember to come back in September“ richten?
Noch zeitgemäß?
Eines der Hauptargumente dafür ist, dass über die Sommermonate hinweg weniger an den Börsen gehandelt wird und es daher in diesem Zeitraum zu stärkeren Kursschwankungen kommt. Das mag zwar damals, beim Aufkommen der Regel im 17. Jahrhundert, gestimmt haben. Doch heute, im Zeitalter der Digitalisierung, können Aktionäre ihre Papiere jederzeit per Smartphone handeln.
Neugierig geworden?
Dennoch hat die Weisheit einen wahren Kern. Sven Lehmann, Fondsmanager des HQT Global Quality Dividend (ISIN: LU1499563440), hat auf Basis der Daten des US-amerikanischen S&P 500 Performanceindex seit dem Jahr 1872 analysiert, welche Monate Anlegern Rendite und welche ihnen eher Risiko beschert hätten. Das Ergebnis: „Grundsätzlich trifft die Börsenregel zu. Blickt man auf die vergangenen 150 Jahre, haben die Monate September und Mai zum Anlageerfolg keine Rendite, sondern nur ein erhöhtes Risiko beigetragen.“ Seien Anleger im Zeitraum von Mai bis September nicht investiert gewesen, hätte ihre Performance immerhin bei 6,3 Prozent pro Jahr gelegen. „Vergleicht man das mit allen anderen zwölf Fünf-Monats-Pausen, kommt der Zeitraum von Mai bis September immerhin auf Platz zwei“, so Lehmann. „Aus Renditesicht wäre es nur noch besser gewesen, die fünf Monate von Februar bis Juni auszulassen. Dann hätte die jährliche Rendite 6,5 Prozent betragen.”
Am besten wären Anleger laut Lehmann aber mit einer viel einfacheren Strategie gefahren: Gar nicht verkaufen. Dann hätte die Wertentwicklung über den gesamten Zeitraum bei 9,2 Prozent p.a. gelegen. Was uns zu einer anderen Börsenweisheit führt: „An der Börse wird weder zum Ein- noch zum Ausstieg geklingelt.“