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Dr. Jens Ehrhardt im Interview „Ich bin bei Gold aktuell eher vorsichtig“

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Glauben Sie, dass die Inflation dauerhaft steigt?

Dr. Ehrhardt: Kurzfristig sind noch einige negative Überraschungen bei der Inflation möglich. Auf Sicht von ein bis zwei Jahren könnte sich die Lage aber deutlich verbessern. Wir haben aktuell vor allem eine Güterinflation durch zahlreiche Engpässe. Die Marktwirtschaft ist aber so flexibel, dass bei steigenden Preisen auch die Produktion rasch steigen kann und die Güterpreise wieder nach unten gehen. Auf Dauer müsste man womöglich eher die Serviceinflation beobachten. Aber auch hier gibt es zum Beispiel in den USA ein riesiges ungenutztes Arbeitskräftepotenzial, was auch die Serviceinflation in Grenzen halten könnte.

Wie geht es bei der Anlageklasse Gold weiter?

Dr. Ehrhardt: Ich bin eigentlich ein großer Gold-Fan. Denn: Das Gelddrucken ist ein weltweiter Langfristtrend, und davon müsste Gold profitieren – zumal bei niedrigem Realzins. Aktuell bin ich dennoch eher vorsichtig, denn die Produktionszahlen bei Gold steigen und es kommt mehr Altgold auf den Markt. Außerdem haben im vergangenen Jahr verunsicherte Anleger viel Gold gekauft, vor allem in Form von ETFs, während sich traditionelle Käufer, etwa aus Indien und China, zurückgehalten haben. Die ETF-Käufer könnten angesichts steigender Aktienkurse eher wieder verkaufen, was den Goldpreis drücken würde. Auch die Charttechnik spricht bei Gold für eine eher vorsichtige Haltung.

In welche Richtung läuft der US-Dollar?

Dr. Ehrhardt: Eine klare Aussage ist schwierig, denn es gibt gegensätzliche Einflüsse. Von der Kaufkraft her ist der US-Dollar überbewertet, dazu sprechen auch die sehr hohen Handelsbilanz- und Staatsdefizite in den USA für einen schwachen US-Dollar. Andererseits gibt es am Markt derzeit viele Dollar-Pessimisten – der US-Dollar ist stark geshortet, was ihn markttechnisch unterstützen sollte. Außerdem fließen Gelder meistens in das Land, in dem die Konjunktur am besten läuft, und da die Amerikaner weiterhin geld- und fiskalpolitisch stark stimulieren, wird der US-Dollar dadurch Rückenwind bekommen. Insgesamt erwarte ich, dass kurzfristig die Auftriebskräfte vorherrschen könnten, während der US-Dollar langfristig gegenüber stabilen Währungen wie dem Yen nachgibt.

Welche Region weltweit bevorzugen Sie?

Dr. Ehrhardt: Aktuell erscheint Europa interessant. In Europa ist fiskalpolitisch sehr viel passiert. Staaten wie Italien oder Frankreich geben mehr Geld aus, das ergibt in Krisenzeiten Sinn und verschafft der Region Rückenwind. Und da europäische Aktien oft deutlich billiger sind als vergleichbare US-Werte, sollten Gelder vermehrt in die Region fließen. Die USA sehe ich ebenfalls positiv, auch wenn hier markttechnische Übertreibungen zu Rücksetzern führen könnten. Asien würde ich am wenigsten stark übergewichten. Die chinesische Geldmenge steigt seit einiger Zeit relativ wenig, die Überschussliquidität ist praktisch gleich null. Heißt: Da fließt kein zusätzliches Geld an die Börse. Das färbt auch stark auf das Umfeld ab, wie Südkorea und Taiwan, und letzten Endes auch auf Japan, für das China inzwischen der wichtigste Exportmarkt ist.

Wie sieht es bei den Sektoren aus – Value, Technologie oder beides?

Dr. Ehrhardt: Es gibt heute noch einige gute Tech-Werte, die nicht nur ordentliches Wachstum zeigen, sondern auch ganz vernünftig bewertet sind. Andererseits haben wir im Value-Bereich Aktien mit vernünftigen Bewertungen, die „underowned“ sind, in die also noch nicht massiv investiert wurde. Man sieht in keinem Bereich eine totale Überhitzung, Value und Tech können beide interessant sein – am Ende muss man sich die Einzeltitel anschauen, also Stockpicking betreiben, um erfolgreich zu sein.

Was bedeutet die aktuelle Marktlage für Ihre Dividendenstrategie?

Dr. Ehrhardt: Ich glaube, dass Dividenden tendenziell unterschätzt werden. Gerade in Zeiten, in denen Festverzinsliche fast keine Zinsen bringen, sind Dividendentitel eine sehr gute Alternative zu Unternehmens- und Staatsanleihen. Ich sehe den Bereich auch besser gegen unerwartete geld- oder geopolitische Negativereignisse gewappnet. Defensive Dividendenaktien können dem Aktionär einen relativ sicheren Zuwachs mit weniger Volatilität bieten und bleiben deshalb auch als Depotschwerpunkt interessant.

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