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Interview zu Europa-Aktien, Teil I „Nur Geduld – Banken und IT aus der Eurozone werden sich rechnen“

der fonds: Herr Stroh, was spricht derzeit für europäische Aktien?

Karsten Stroh: Wenn Sie sich die klassischen Themen anschauen, die Aktien beeinflussen, dann haben Sie ganz viele unterstützende Faktoren. Das fängt bei der wirtschaftlichen Entwicklung des Euroraums an, die sich zum Vorjahr deutlich verbessert hat und bereits seit vier Jahren expansiv ist.

Die Arbeitslosigkeit als nachlaufender Indikator nimmt seit über vier Jahren ab. Die Umsätze des Einzelhandels legen europaweit zu. Die Einkaufsmanagerindizes in der Eurozone sehen gut aus.

Sogar in Griechenland sind die Einkaufsmanagerindizes zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder positiv. Der vor einigen Jahren zu beobachtende klassische „Credit-Crunch“ in der Eurozone hat sich seit 2 ½ Jahren aufgelöst; die Kreditvergabe steigt wieder. 

Außerdem kommt weiterhin Unterstützung von der Zentralbankseite: Die Geldpolitik bleibt locker und unterstützt die Konjunktur. Nehmen Sie auch die Gewinnentwicklung der Unternehmen: Zum ersten Mal seit vielen Jahren ist sie sehr unterstützend und positiv für europäische Aktien. Die Bewertung der Unternehmen ist nach klassischen Bewertungsmaßstäben nicht billig, aber auch nicht superteuer. Wenn Sie sich die Anlagealternativen anschauen, sowohl auf den Renten- als auch auf den internationalen Aktienmärkten, dann spricht sehr viel für die europäische Aktie. 

Anleger haben das erkannt: Seit April 2017 verzeichnet der europäische Aktienmarkt zum ersten Mal seit mehreren Jahren wieder steigende Zuflüsse.

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Welche Aktienmärkte in Europa haben besonderes Potenzial?

Stroh: Wir investieren grundsätzlich per Bottom-up-Ansatz, Titel für Titel, und hängen nicht so sehr der Top-Down-Sichtweise an. Nehmen Sie das Mineralölunternehmen Total in Frankreich: Das ist ja ein Unternehmen, das seine Umsätze vorrangig außerhalb Frankreichs generiert. Das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline ist entsprechend kein auf Großbritannien fokussiertes Unternehmen. Das jeweilige Business-Modell ist global aufgestellt.

In diesem Zusammenhang ist eine Kennzahl interessant: Die europäischen Unternehmen erwirtschaften rund 50 Prozent ihres Umsatzes außerhalb Europas. Das ist ein wesentlich größerer Prozentsatz als bei Unternehmen aus den USA oder dem asiatischen Raum, die mehr in ihren lokalen Märkten tätig sind. Die Eurozone hingegen ist eine extrem offene Volkswirtschaft, mit international breit aufgestellten Unternehmen. Der globale Wirtschaftsaufschwung unterstützt daher europäische Unternehmen. In den vergangenen Jahren ist alles außerhalb Europas gewachsen, aber die Eurozone und teils auch die Emerging Markets nicht, jetzt erleben wir überall den Aufschwung – und das ist für Europa besonders gut.

Auf welche Sektoren setzt das Fondsmanagement des Europe Strategic Value vorrangig?

Stroh: Im Europe Strategic Value Fund, inzwischen seit 17 Jahren am Markt, gehen wir auch bei den Sektoren sehr stark Bottom-up-getrieben vor. Wir prüfen rund 1.800 europäische Aktien, wobei nach Anwendung mehrerer Filter beispielsweise nach Kennzahlen und Qualität letztlich nur 30 Prozent dieser Titel für Investments in Frage kommen.

Aber wenn man auf unsere Portfolien schaut, für die ein Team von mehr als 50 Experten tätig ist, kann man insgesamt ganz klar sagen: Im Moment sind bei uns eher die zyklischen Sektoren gegenüber den defensiven Sektoren übergewichtet.

Zu den zyklischen Sektoren zähle ich jetzt auch mal die Finanztitel. Wir haben seit dem dritten und vierten Quartal des vergangenen Jahres Bankentitel übergewichtet. Versicherer haben wir schon seit längerer Zeit übergewichtet, aber bei Banken sind wir erst seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres dabei. Darüber hinaus setzen wir derzeit weniger auf klassische defensive Sektoren wie Pharma, Nahrungsmittel und Konsumgüter: Die Nestlés und Unilevers dieser Welt sind zwar grundsätzlich sehr stabil und weisen sehr solide Business-Modelle auf, sind aber inzwischen sehr teuer.

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