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Lehren für ETF-Anleger Nicht gegen den Trend stellen, aber Risiken und Chancen im Blick behalten

Londoner Börse:
Londoner Börse: Effiziente Märkte und Nischenmärkte eignen sich besonders gut für den Einsatz von ETF-Strategien | Foto: IMAGO / agefotostock

Bernd Meyer, Chefanlagestratege, und Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy bei Berenberg, beleuchten mit einem Fokus auf Aktien die wesentlichen Zusammenhänge des passiven Investierens, über die sich Anleger im Klaren sein müssen. Viele der Befunde gelten auch für die Anleihemärkte.

„Für viele Anleger bedeutet der Einstieg in den Kapitalmarkt nicht mehr aussichtsreiche Wertpapiere selbst auszuwählen oder einen aktiven Portfoliomanager zu engagieren, der die Selektion übernimmt. Es bedeutet vielmehr, Geld in einen passiven Indexfonds oder ETF (Exchange Traded Funds) zu stecken“, erläutern die Experten. Laut Investment Company Institute (ICI) flossen seit 2010 knapp 50 Milliarden US-Dollar aus aktiven, in den USA ansässigen Fonds ab, während knapp 3 Billionen US-Dollar in US-ETFs flossen. Insbesondere in den vergangenen Jahren verzeichneten passive Produkte Zuflüsse, während aktive Fonds an Masse verloren. Seit Jahresbeginn konnten nun zwar auch aktive Aktienfonds wieder Zuflüsse verzeichnen, im ETF-Bereich waren diese allerdings dreimal so hoch (s. Abb. 1).

Abbildung 1: Zuflüssen bei ETFs und Aktienfonds (in Milliarden US-Dollar)

                         Quelle: Berenberg

Passives Investieren begünstigt ineffizientere Kapitalallokation

Wenn ein ETF-Anbieter Nettozuflüsse verzeichnet, werden die zugrunde liegenden Indexbestandteile proportional zur Gewichtung nachgekauft – meist unabhängig davon wie fundamental kostspielig oder günstig die Titel gerade sind. Anleger investieren damit verstärkt in die Aktien, die bereits sehr gut laufen und daher hoch gewichtet sind, und setzen implizit darauf, dass sich diese Trends auch fortsetzen.

Bei Anleihe-ETFs investieren Anleger oft in Papiere jener Unternehmen, die die höchsten Schulden haben und dadurch sogar überproportionale Risiken aufweisen. Umgekehrt werden beim Verkauf der ETFs alle Bestandteile unabhängig von der Bewertung verkauft. Es gibt dabei also niemanden, der schlechte Anlagen aktiv abstößt oder gute auswählt. „Indexfonds und ETFs spiegeln einfach den Markt wider – wenn auch ungenügend“, meinen die Berenberg-Experten.

Fundamentalkennzahlen spielen eine weniger wichtige Rolle

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Eine zunehmende Ineffizienz der Märkte und vermehrte Übertreibungen in die eine wie andere Richtung bieten aktiven Anlegern Chancen. Beispielsweise können sie versuchen, das Verhalten passiver Anleger zu antizipieren und sich dementsprechend positionieren. Eindrückliche Beispiele sind die zunehmenden Indexaufnahmen von chinesischen Festlandaktien oder -anleihen.

Solange der starke Trend hin zu passiven Anlagen anhält und das Marktverhalten immer weniger fundamental begründbar wird, erschwert das aktive Anlageentscheidungen. „Eine fundamental richtige Investition wird möglicherweise über lange Zeit nicht aufgehen, solange die passiven Kapitalflüsse in die andere Richtung laufen“, kommentieren die Experten. „Wir sehen den Trend hin zu passivem Investieren wie ein Pendel. Dieses läuft derzeit mit Schwung noch immer in die gleiche Richtung, dürfte nach unserer Einschätzung aber zukünftig an Momentum verlieren, je mehr und je stärker aktive Strategien aufgrund der zunehmenden Möglichkeiten nach Kosten ihre Benchmarks schlagen."

Bis das Pendel beginnt in die andere Richtung zu schwingen, dürften aber noch Jahre vergehen. Denn einfache Produktstrukturen, geringe Kosten, gewisse steuerliche Vorteile in den USA, ein einfacher Marktzugang über Neobroker, der vereinfachte Zugang zu Finanzbildung (Soziale Medien, Youtube, etc.) und die Erwartung einer steigenden Aktienquote in der Bevölkerung dürften vorerst weiter für deutliche Zuflüsse bei passiven Anlagen führen.

Lehren für Anleger

„Unserer Meinung nach sollten aktive Anleger ETFs insbesondere für taktische Positionen oder in effizienten Märkten einsetzen“, kommentieren die Finanzexperten. Anleger sollten sich den Chancen und Risiken von passiven Kapitalflüssen bewusst sein und sich dieses Wissen zunutze machen:

  • Für Investoren entstehen zunehmend Chancen, bei Aktien/Branchen, die besonders von passiven Flüssen profitieren. Dazu gehören beispielsweise Veränderungen der Benchmark-Zusammensetzung wie die stärker werdende Bedeutung und damit Gewichtung von chinesischen Investments in globalen Aktien- und Anleiheindizes.
  • Aktiver Anleger sollten insbesondere in effizienten Märkten wie dem US-Aktienmarkt ETFs einsetzen. Ebenso erscheinen Nischenmärkte erfolgversprechend, die noch keine oder eine geringe ETF-Durchdringung haben. Diese sind dann weniger korreliert zum Gesamtmarkt, häufig weniger volatil und dürften sich insbesondere in Krisenzeit besser behaupten.
  • Im Umfeld zunehmend passiven und systematischen Investierens und negativer Realzinsen spielen Fundamentalkennzahlen wie die Bewertungen eine weniger wichtige Rolle für Allokationsentscheidungen. Entscheidender ist die richtige Einschätzung wie wesentliche Anlegergruppen positioniert sind, agieren und was sie voraussichtlich als nächstes tun. Die Analyse von Sentiment, Anlegerflüssen und Positionierungsdaten nimmt damit eine zentralere Rolle ein. Anleger sollten insbesondere regelbasierte Anlagestrategien im Blick haben. Immer dann, wenn diese im Schnitt extreme Positionen aufweisen, bietet sich möglichweise ein konträres Verhalten an.
  • Anleger sollten zudem genau beobachten, wann der Trend sich umkehrt. Das dürfte für den Gesamtmarkt zwar noch Jahre dauern, aber bei Sektor-, Regionen und Themen-ETFs kann das durchaus schneller und immer mal wieder geschehen. Dann dürften vor allem Indextitel unter Druck geraten, die überproportional von solchen ETFs gehalten werden.

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