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Aktualisiert am 18.06.2020 - 13:41 Uhrin Artikel aus der fondsLesedauer: 8 Minuten

Schwellenländer-Unternehmensanleihen Das Risiko von Fallen Angels ist weniger dramatisch als es scheint

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Außerhalb Lateinamerikas ist das Risiko für Fallen Angels gering

Unseren Analysen zufolge sind derzeit rund 215 Milliarden US-Dollar an Wertpapieren mit Rating von BBB- im Umlauf. Das entspricht 21 Prozent des Investment-Grade-Marktes für EM-Unternehmens- und Quasi-Staatsanleihen, wobei das Herabstufungsrisiko innerhalb und unter den Regionen variiert (PineBridge, per 22. Mai 2020).

Rund 75 Prozent der „fallen angels“ des Jahres 2020 in den Schwellenländern werden voraussichtlich auf Lateinamerika entfallen, der Großteil davon in zwei Ländern mit negativem Ausblick zum Länderrating: Mexiko (dominiert von Pemex) und Brasilien. In beiden Ländern wird das zunehmende Risiko auf der staatlichen Ebene aufgrund von politischen Turbulenzen und ehrgeizigen fiskalischen Reaktionen auf Covid-19 dazu führen, dass zahlreiche Investment-Grade-Emittenten unter Ratingdruck geraten.

Fast 50 Prozent der Emissionen von EM-Investment-Grade-Unternehmens- und -Quasi-Staatsanleihen entfallen auf Asien. Doch der Großteil von ihnen weist hohe Ratings auf – BBB oder höher. Für indische Unternehmensemittenten könnte eine Herabstufung des Länderratings zwar ein potenzielles Risiko einer Herabstufung in den spekulativen Bereich bergen. Wir gehen jedoch davon aus, dass Indien sein Investment-Grade-Rating halten kann. Daher sind wir der Ansicht, dass das Risiko für „fallen angels“ in Asien eher gering und emittentenspezifisch ist. Unseres Erachtens werden weniger als 2 Prozent der Gesamtzahl in diesem Jahr auf Asien entfallen.

In der Region EMEA wird das Länderrisiko im Nahen Osten unseres Erachtens kaum zum Risiko von Herabstufungen in den spekulativen Bereich beitragen, denn über 90 Prozent der Emissionen von Investment-Grade-Anleihen in der Region entfallen auf Länder mit Rating von A oder höher. Im Nahen Osten erkennen wir nur einen Kandidaten für einen gefallenen Engel, einen staatlichen Hafenbetreiber, der eine fremdfinanzierte Umstrukturierung durchgeführt hat, die seine Bilanz nach wie vor belastet. Auf europäische Schwellenländer entfällt ein erheblich geringerer Anteil des Investment-Grade-Marktes. Hier könnte Russland – mit Ratings von Moody’s und S&P im unteren BBB-Bereich – zwar Quelle eines Länderrisikos sein. Wir stellen aber fest, dass das Land dank seines robusten politischen Rahmens und der angesammelten Devisenreserven eher ein Hochstufungskandidat ist.

Bei PineBridge verfolgen wir über 260 Unternehmens- und staatsnahe Emittenten im Investment-Grade-Bereich (Stand: 27. Mai 2020) und weisen jedem von ihnen eine Wahrscheinlichkeit für die Herabstufung in den spekulativen Bereich zu. Solche vorausschauenden Analysen sind immer wichtig, besonders aber in Phasen mit einem kurzfristigen Konjunkturrückgang wie derzeit. Denn ein kurzfristiger negativer Ratingtrend führt zu einem höheren Abwärtsrisiko, der mit einer potenziellen Rekordzahl an „fallen angels“ assoziiert wird.

Unsere Einschätzung des Risikos von Herabstufungen in den spekulativen Bereich stützt sich auf die Zusammenarbeit zwischen den Researchteams für Staats- und Unternehmensanleihen. Dies hilft uns, ein umfassendes Verständnis dafür zu gewinnen, welche Emittenten herabgestuft werden könnten. Unseren Analysen zufolge wird der Anteil an „fallen angels“ nur gut 11 Prozent des gesamten Marktes für EM-Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating betragen. Das liegt um einige Prozentpunkte unter den Konsensschätzungen. Fast 8 Prozent der erwarteten Herabstufungen in den spekulativen Bereich haben bereits stattgefunden. Der Löwenanteil entfiel auf die Rekordherabstufung von Pemex. Damit sind nur noch 3,5 Prozent des IG-Marktes dem Risiko ausgesetzt, während des restlichen Jahres auf ein Hochzinsniveau abzurutschen. Das ist nicht wesentlich höher als wir in einem normalen Jahr erwarten würden.

Fundamentales Kreditrisiko von Schwellenländern im Vergleich zu Industrieländern recht solide

Die Zunahme der BBB-Ratings an den Investment-Grade-Kreditmärkten wird häufig als Zeichen einer allgemeinen Verschlechterung der Bonitätsdaten erwähnt. Um überkommene Ansichten über das zugrunde liegende Kreditrisiko am Markt für EM-Unternehmensanleihen zu untermauern, könnten Skeptiker auf die Konzentration von BBB-Werten in den Indizes für EM-IG-Unternehmensanleihen gegenüber ihren Industrieländer-Pendants hinweisen (rund 60 Prozent im JPMorgan CEMBI Broad Diversified IG Index, gegenüber 47 Prozent im Bloomberg Barclay US Corporate Bond Index). Indizes für EM-Unternehmensanleihen enthalten jedoch nicht viele erstklassige Titel aus zwei wichtigen Segmenten des investierbaren Universums: Quasi-Staatsanleihen, also Anleihen staatsnaher Emittenten, sowie viele kurzfristige Wertpapiere, die von asiatischen Finanzunternehmen mit erstklassigem Rating ausgegeben wurden (die aber aufgrund von Laufzeitbeschränkungen nicht im Index erscheinen). Bezieht man diese Marktsegmente mit ein, entspricht die Konzentration von BBB-Anleihen in Schwellenländern im Wesentlichen den 47 Prozent, die auch am Markt für US-Unternehmensanleihen zu finden sind. Vor allem aber weisen Schwellenländerunternehmen mit BBB-Rating in der Regel solidere Bilanzen auf als ihre US-Pendants. Grund dafür ist vor allem der Grundsatz der Ratingagenturen, das Länderrating als Obergrenze für die Bonitätsnote festzulegen. Dies zeigt sich an den Nettoverschuldungsquoten von EM-Unternehmen mit BBB-Rating, die um eine ganze Faktorstufe höher sind als die ihrer US-Pendants (2,0x gegenüber 3,0x, J.P. Morgan, per 31. Dezember 2019).

So wie staatsnahe Emittenten nicht in Unternehmensanleihenindizes enthalten sind, werden sie auch in den Kennzahlen für Unternehmensbilanzen nicht berücksichtigt. Im Gefolge der Rekordherabstufung von Pemex, als viele Länder immer höhere staatliche Hilfsprogramme verabschiedeten, um den Auswirkungen von Covid-19 zu begegnen, wurde die Kreditwürdigkeit von staatsnahen Unternehmen schärfer unter die Lupe genommen. Staatsnahe Emittenten haben eine wesentliche Bedeutung für ihre jeweiligen Länder. Daher würden wir mit verstärkter staatlicher Unterstützung rechnen, falls sich ihre Bonität verschlechtern sollte. Die Haushaltsdefizite werden in diesem Jahr zwar steigen. Doch viele Regierungen können an ihren lokalen Märkten Anleihen zu günstigeren Finanzierungssätzen ausgeben. Damit sollten sie über reichlich Spielraum zur Unterstützung ihrer Staatsunternehmen verfügen.

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