Die Deutschen gelten als Börsenmuffel. In den vergangenen Monaten hat sich jedoch einiges getan. Vor allem die jüngere Generation hat ihr Interesse an Dax und Co. entdeckt. Böse Zungen behaupten, die Corona-Lockdowns und Langeweile hätten lediglich den Spieltrieb der „Generation Robinhood“ aus den USA auch hierzulande geweckt. Stimmt das? Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat für das Start-up finCraft genauer hingeschaut und in einer repräsentativen Studie 2.500 Menschen zum Thema Börse befragt.
Zocken? Nicht an der Börse
Das wichtigste Ergebnis vorweg: Für 34,3 Prozent der Befragten ist der langfristige Vermögensaufbau der Hauptgrund für Investments an der Börse. Und ausgerechnet in der jüngsten Gruppe (18 bis 29 Jahre) wird dieses Argument am stärksten vertreten (52 Prozent). Auf Platz zwei folgt die Altersvorsorge (19 Prozent). Aus Spaß zocken (3,5 Prozent) oder einfach nur, um schnell Geld zu machen (4,8 Prozent), sind untergeordnete Motive (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Die wichtigsten Gründe zum Investieren
Generation „Selbstentscheider“
Die heutige Anlegergeneration will eigenverantwortlicher und unabhängiger handeln – sie besteht aus Selbstentscheidern. Mit knapp 77 Prozent ist die deutliche Mehrheit der Befragten nämlich der Meinung, dass jeder für seine finanzielle Zukunft selbst verantwortlich ist. Nicht einmal jeder Zehnte sieht die Verantwortung beim Staat (8,5 Prozent).
Anders sieht es bei der Altersgruppe unter 30 aus: Nur etwas mehr als die Hälfte sieht sich selbst in der Verantwortung (56,3 Prozent), knapp 7 Prozent sagen, dass das Glück über die finanzielle Zukunft entscheidet, und etwa jeder Fünfte dieser Gruppe findet, der Staat sei verantwortlich (21,2 Prozent).
Fast ein Drittel der Deutschen hat allerdings keine Vorstellung davon, wie hoch die jährliche Rendite ausfallen müsste, damit sie investieren würden (29,2 Prozent). Jedem Fünften ist die Rendite egal, sie wollen einfach keine Verluste machen (20,3 Prozent). Die große Mehrheit derjenigen, die eine bestimmte Rendite erwarten, hat hingegen sehr realistische Vorstellungen. Die Befragten bleiben überraschend nah an den historisch erwartbaren Börsengewinnen. Lediglich jeder Zehnte erwartet jährliche Traumrenditen von mehr als 8 Prozent (10,6 Prozent).
Die überwiegende Mehrheit der Deutschland hat erkannt, dass sie ihre finanzielle Zukunft selbst in die Hand nehmen muss. Entwicklungen rund um Themen wie Strafzinsen oder private Altersvorsorge haben hierzu sicher ebenso beigetragen wie die Neo-Broker.
Neugierig geworden?
Vertrauen ist gut – vor allem in sich selbst
Wenn es um die eigene finanzielle Zukunft geht, vertrauen drei Viertel der Deutschen an erster Stelle sich selbst (76,4 Prozent). Nur jeder Zehnte vertraut eher Experten wie Bank- oder Anlageberatern (10,7 Prozent). Auch Freunde und Familie haben in finanziellen Dingen wenig Vertrauensvorschuss, nur 5,2 Prozent hören am ehesten auf ihren Rat. Einen vernichtenden Ruf scheinen digitale Vermögensverwalter zu haben: Die eigene finanzielle Zukunft würden gerade einmal 0,7 Prozent der Befragten den sogenannten Robo-Advisors anvertrauen.
Ohne Informationen, ohne mich
Eigene Recherchen werden von einem Viertel der Befragten (24,8 Prozent) als wichtigste Informationsquelle genannt, um Anlageentscheidungen treffen zu können. Das Bedürfnis, unabhängig entscheiden und agieren zu können, scheitert aber vielfach an einem zentralen Problem: Mehr als ein Drittel der Befragten weiß nicht, wo sie verlässliche Informationen und Beratung finden (33,5 Prozent). Entgegen der allgemeinen Erwartung wird dem Angebot im Internet nur wenig Vertrauen geschenkt: Gerade einmal 3,6 Prozent der Befragten halten kostenlose Formate im Netz beziehungsweise in den soziale Medien für vertrauenswürdige Quellen.
Risiko? Nein, Danke!
Trotz der Niedrigzinsen und zahlreicher Neu-Börsianer meiden viele Deutsche aber nach wie vor den Kapitalmarkt. Warum investieren sie nicht in Aktien, ETFs, Fonds und Co.? Die Einschätzung der Befragten fällt deutlich aus: Annähernd zwei Drittel sind der Meinung, dass es die Angst vor Verlusten ist (62,9 Prozent), gefolgt von fehlendem Wissen (37,8 Prozent) und fehlendem Vermögen (34,5 Prozent).
Zudem sagt mehr als jeder Fünfte, dass fehlendes Vertrauen in Experten wie Bankberater (22,7 Prozent) Teil des Problems sei. Insbesondere Personen unter 30 Jahren sehen die Angst vor Verlusten (74,6 Prozent) als wichtigste Ursache. Und auch beim fehlenden Wissen liegen die Werte weit über dem Durchschnitt (47,5 Prozent). Unterschiede zeigen sich hier auch zwischen den Geschlechtern: Während Frauen häufiger als Männer das fehlende Wissen angaben (40,3 versus 35,4 Prozent), dominiert bei den Männern die Angst vor Verlusten (65,6 versus 60 Prozent).