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Aktualisiert am 12.10.2020 - 16:40 Uhrin NewsLesedauer: 3 Minuten

Sorgen um Staatsdefizite Verschuldung gefährdet das Wachstum nicht

Traditionelle Wachablösung am Buckingham Palast in Großbritannien
Traditionelle Wachablösung am Buckingham-Palast in London: Die britische Staatsverschuldung hat erstmalig die Schwelle von zwei Billionen Britischen Pfund erreicht | Foto: imago images / Jan Huebner

Weltweit sorgen die enormen fiskalischen Hilfsmaßnahmen der Regierungen für Schlagzeilen. Basierend auf den jüngsten BIP-Zahlen für das zweite Quartal überstieg die US-Verschuldung Ende Juni 100 Prozent des BIP. Derselbe Zusammenhang gilt für Großbritannien, wobei die britische Staatsverschuldung erstmalig die Schwelle von zwei Billionen Britischen Pfund erreichte. Viele Marktbeobachter fürchten, dass die ansteigende Verschuldung unmittelbare wirtschaftliche Probleme und empfindliche Sparmaßnahmen heraufbeschwören wird.

Der Schuldendienst zählt

Der Vergleich zwischen Verschuldung und BIP eines Staates liegt nahe. Allein schon dadurch, dass extrem hohe Zahlen in ein greifbares Verhältnis gesetzt werden. Jedoch sind wir der Meinung, dass ein Verschuldungsniveau von 100 Prozent des BIP keine magische Grenze darstellt, die vernünftige Aussagen zur „Überlebensfähigkeit“ eines Staates liefert. Wer diese Grenze überschreitet, muss sich zwar Vergleiche mit langfristigen Problemkandidaten wie Griechenland gefallen lassen, allerdings sollte man bei dieser Betrachtung einen typischen Denkfehler vermeiden.

Staaten bezahlen ihre Schulden nicht auf einen Schlag, sie müssen nur für die Zinszahlungen und Nominalwerte auslaufender Anleihen aufkommen. Das Schuldenportfolio ist ein komplexes Konstrukt mit Rückzahlungsverpflichtungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Ein Staat schöpft diese Rückzahlungen nicht aus dem BIP: Er verwendet Steuereinnahmen für die Zinszahlungen und refinanziert auslaufende Anleihen durch die Ausgabe neuer Schuldtitel. Die Pleite Griechenlands ist auf die mangelnde Fähigkeit zurückzuführen, dieses Prinzip aufrechtzuerhalten – nicht auf die Tatsache, dass die Verschuldung einen gewissen Prozentsatz im Verhältnis zum BIP überschritten hatte.

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Um die Tragfähigkeit für die Verschuldung zu überprüfen, ist also das Verhältnis der Zinszahlungen zu den Steuereinnahmen interessant. Im Fiskaljahr 2019 mussten die USA 10,8 Prozent der Steuereinnahmen für Zinszahlungen bestehender Schulden verwenden. Diese Zahl dürfte aus zwei Gründen ansteigen: Durch die hohe Emission neuer Anleihen und sinkende Steuereinnahmen im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Ein K.O.-Kriterium für zukünftiges Wachstum?

Nicht unbedingt. In den 1980er und 1990er Jahren machten die US-Zinszahlungen zwischen 15 und 18 Prozent der Steuereinnahmen aus – in einer langen Phase mit signifikantem Wirtschaftswachstum. In Großbritannien machten die Zinszahlungen im Fiskaljahr 2019 nur 4,7 Prozent der Steuereinnahmen aus. Ein Anstieg gegenüber dem niedrigsten Stand der letzten 20 Jahre sollte auch hier keinen finanziellen Exitus bedeuten. Über allem thront zudem das Umfeld niedriger Zinsen. Neue Schulden bringen eine geringe Zinsbelastung mit ein, im Hinblick auf das gesamte Schuldenportfolio sind sogar positive Effekte sichtbar, sobald auslaufende Schulden „billiger“ abgelöst werden können.

Sorge der Anleger unbegründet?

Eine hohe Staatsverschuldung verstärkt die Sorgen der Anleger, insbesondere wenn sie die psychologisch wichtige Grenze von 100 Prozent im Verhältnis zum BIP überschreitet. In erster Linie ist jedoch das Verhältnis der Zinszahlungen zu den Steuereinnahmen relevant, welches sich für die meisten Industrieländer auf einem annehmbaren Niveau befindet. Covid-19 wird im Fiskaljahr 2020 auch an dieser Stelle eine große Belastung darstellen, die Chancen auf nachhaltiges Wirtschaftswachstum sind dadurch aber nicht grundsätzlich gefährdet.

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