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UBP-Chefvolkswirt „Zentralbanken nähern sich immer mehr der Finanzierung der Staatsausgaben“

Skater-Park vor der EZB in Frankfurt
Skater-Park vor der EZB in Frankfurt: Die Zentralbanken dürften nach der Krise mehr Macht erhalten, aber auch einen Teil ihrer Unabhängigkeit einbüßen | Foto: imago images / Eibner

Die Zentralbanken, allen voran die Federal Reserve (Fed), begegneten dem Corona-Schock mit rascher und beherzter Geldpolitik: Sie senkten die Zinsen auf eine Spanne von 0 bis 0,25 Prozent, führten neue Maßnahmen zur weiteren Reduktion der langfristigen Zinsen ein, versorgten Banken und Märkte mit Liquidität und weiteten ihre Kaufprogramme für verschiedene Wertpapiere sowie für Staatsanleihen im Fall der Fed auch für hochverzinsliche Papiere aus.

Alle Zentralbanken verfolgten die gleiche Strategie. Zwar erwirbt die EZB immer noch keine hochverzinslichen Anleihen, hat aber ihre Anforderungen für die Bereitstellung von Sicherheiten gesenkt und die Restriktionen für Bankbilanzen gelockert. Damit wollten sie zusätzlich zur Pandemie eine massive Finanzkrise verhindern.

Die größte Herausforderung bei der einsetzenden Erholung ist das Vermeiden einer Staatsschuldenkrise, da sich Schulden in allen Sektoren angehäuft haben und die Wirtschaftstätigkeit nur langsam anzieht. Die Zentralbanken haben die Geldmärkte erfolgreich mit Liquidität versorgt, die Kreditvergabe angekurbelt und die Kapitalkosten in allen wichtigen Wirtschaftszweigen gesenkt. Die jüngsten Hilfsprogramme der EZB und Fed sollten im zweiten Halbjahr größere Wirkung entfalten und die Finanzierungsbedingungen weiter erleichtern.

Die Regierungen handelten etwas später, doch gehen sie nun koordinierter vor. Der ankündigte Wiederaufbaufonds der EU sieht zum ersten Mal Transferzahlungen zwischen den Mitgliedern und die Einführung von Schuldtiteln auf EU-Ebene vor.

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Dass die Banken und Märkte mit Kapital geflutet und eine Vergemeinschaftung von Staats- und Unternehmensanleihen (über staatliche Garantien) vorgenommen wurden, war in Anbetracht der heftigen Krise ein wichtiger politischer Entscheid. Die Nothilfen sollten noch einige Zeit fortgesetzt werden, wahrscheinlich länger als die Entscheidungsträger denken.

Nach der Finanzkrise von 2008 gestalteten sich der Ausstieg aus der Null- oder negativen Zinspolitik und die Reduktion der Anleihenkäufe besonders schwierig. Die Welt nach der Pandemie wird weitere Herausforderungen bereithalten: Der Schuldenberg im öffentlichen und privaten Sektor dürfte es den Zentralbanken schwer machen, ihre Unterstützung zu entziehen.

Die Zentralbanken nähern sich immer mehr der Finanzierung der Staatsausgaben. Sie scheint das einzige Mittel zu sein, um die Erholung zu unterstützen, falls das weltweite Wachstum nicht anzieht, um die Volkswirtschaften wieder auf Touren zu bringen. Die Währungshüter werden sich deshalb auf Wertpapierkäufe und die Zinssteuerung konzentrieren, während die Inflation eher zweitrangig sein wird  solange sie deutlich unter dem langfristigen Zielwert von 2 Prozent bleibt.

Das Inflationsrisiko sollte begrenzt bleiben und kurzfristig eher von den Kosten zur Gewährleistung der Sicherheit und von Lieferengpässen genährt werden. Mittelfristig werden die Gesundheitskosten wahrscheinlich weiter steigen und auch die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt könnte die Teuerung anheizen. Im verarbeitenden Gewerbe sind Preissteigerungen eher unwahrscheinlich, außer wenn die lokale Produktion teurer als die globale Produktion ausfällt.

In der Welt nach dem Lockdown werden die Zentralbanken und Regierungen gezwungen sein, eine koordiniertere Vorgehensweise anzuwenden. Dadurch werden die Zentralbanken mehr Macht erlangen, aber auch einen Teil ihrer Unabhängigkeit gegenüber den Finanzmärkten und politischen Institutionen einbüßen.

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