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Aktualisiert am 20.04.2021 - 14:47 Uhrin InterviewsLesedauer: 4 Minuten

Chefvolkswirt im Interview „Value-Aktien dürften sich besser als Growth-Aktien entwickeln“

Carsten Klude
Carsten Klude: „Anleger nehmen die besseren Zeiten nach der Pandemie vorweg und treiben die Aktienkurse in die Höhe, während die Fundamentaldaten, beispielsweise die Unternehmensgewinne, zunächst noch schwach bleiben und sich erst im Laufe der Zeit erholen.“ | Foto: M.M.Warburg & CO

Herr Klude, der Dax hat die Marke von 15.000 Punkten geknackt, Dow Jones und S&P 500 verzeichnen neue Höchststände und aus Japan kommt ebenfalls Rückenwind. Was meinen Sie: Haben die Indizes noch Luft nach oben?

Carsten Klude: Ja, das haben sie. Zwar hat der DAX unser Ende vergangenen Jahres ausgegebene Kursziel von 15.000 Punkten bereits erreicht und auch beim S&P ist es bis zu den von uns prognostizierten 4.000 Punkten nicht mehr weit, dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass die Indizes weiter ansteigen. Getragen wird die anhaltende Kurserholung unter anderem von der sich abzeichnenden starken wirtschaftlichen Erholung, die sich positiv auf die Unternehmensgewinne auswirken wird. Auch wenn man es sich vielleicht angesichts des gerade erst verlängerten Lockdowns bei uns in Deutschland kaum vorstellen kann, zeichnet sich ab dem zweiten Quartal, wenn das wärmere Wetter und die bessere Verfügbarkeit von Impfstoffen für rückläufige Inzidenzwerte sprechen, eine schnelle und starke Konjunkturerholung ab. Und dies nicht nur bei uns, sondern auch in den USA, in China und in den meisten anderen Ländern. Die Weltwirtschaft steht vor einer synchronen und dynamischen Erholungsphase.

Viele langjährige Marktbeobachter sind der Meinung, dass der breite Aktienmarkt überbewertet ist. Auch traditionelle Kennzahlen wie KGV und Preis-Buch-Wert lassen darauf schließen. Wie stehen Sie dazu?

Klude: Zweifelsohne sind viele Aktien und Indizes im historischen Kontext gesehen sehr teuer. Einzelne Titel und Marktsegmente weisen eindeutige Anzeichen einer Blasenbildung auf, wie zum Beispiel die vom Social-Media-Hype getriebenen Aktien von GameStop oder auch die Preisentwicklung bei Bitcoin. Dass die breiten Indizes hoch bewertet sind, ist allerdings häufig nach Rezessionen zu beobachten, weil Anleger die besseren Zeiten vorwegnehmen und die Aktienkurse in die Höhe treiben, während die Fundamentaldaten, beispielsweise die Unternehmensgewinne, zunächst noch schwach bleiben und sich erst im Laufe der Zeit erholen. Anleger sollten außerdem nicht vergessen, dass das, was ohnehin schon teuer ist, noch teurer werden kann. Zumal nicht nur Aktien, sondern auch fast alle anderen Assetklassen in diesen Tagen hoch bewertet sind. Das gilt für Anleihen und Immobilien, aber auch für Kunstgegenstände oder Oldtimer.

Aktien gelten als derzeit alternativlos. Können Sie dem zustimmen? Welche Alternativen sehen Sie?  

Klude: Die hohe Bewertung von Aktien, aber auch von anderen Assets, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Zinsen in den vergangenen Jahren oder besser gesagt Jahrzehnten immer weiter gefallen sind. Gerade für Anleger, die in liquide Anlagen investieren wollen oder müssen, besteht das Anlageuniversum aber hauptsächlich aus Aktien und Anleihen. Die immer niedrigeren Zinsen haben dazu geführt, dass die Kupons, also die regelmäßigen Zinszahlungen, die Anleger erhalten, immer unattraktiver geworden sind. Solange der Trend zu sinkenden Zinsen beziehungsweise Renditen anhielt, wurde das durch die resultierenden Kursgewinne zumindest teilweise ausgeglichen. Doch mittlerweile scheint hier das Ende der Fahnenstange erreicht zu sein. Derzeit kommt es an den Anleihemärkten eher zu Kursverlusten, sodass noch mehr Anleger in Aktien investieren wollen.

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Wirkliche Alternativen bei liquiden Assets gibt es so gut wie gar nicht. Ansonsten können Anleger ihr Portfolio mit Investments in den Bereichen Immobilien, Reits und Private Equity diversifizieren.

Welche Regionen und Sektoren sollten Anleger jetzt besonders in den Blick nehmen?

Klude: Wir schauen derzeit vor allem auf die Länder und Regionen, die die Corona-Pandemie gut unter Kontrolle bekommen haben. Hierzu gehören einerseits die USA, die ein hohes Impftempo aufweisen, und andererseits China sowie die asiatischen Schwellenländer, die mit viel Disziplin und dank der dort vorherrschenden politischen Autorität das Infektionsgeschehen in den Griff bekommen haben. Vorrangig die USA und die Asien-Pazifik-Region sind sehr wachstumsstark und deren Unternehmen nehmen in vielen Bereichen eine technologische Vorreiterrolle ein.

Nachdem in den vergangenen Jahren vor allem die Technologiewerte für eine positive Börsenentwicklung gesorgt haben, dürfte sich in den kommenden Monaten das Blatt zugunsten der eher zyklischen Unternehmen und Sektoren wenden. Das bedeutet, dass vom Anlagestil her sogenannte Value-Aktien sich besser als Growth-Aktien entwickeln dürften. Allerdings ist dieser Trend schon voll im Gange, und es ist kaum zu prognostizieren, wie lange er anhalten wird. Wir empfehlen Anlegern, momentan eine ausgewogene Mischung aus Growth- und Value-Aktien im eigenen Portfolio zu halten. Die besseren Perspektiven für Value-Werte sprechen zudem dafür, dass sich europäische Indizes im Vergleich zu den USA erstmals seit langem wieder besser schlagen könnten, weil diese mehr Value-Unternehmen aufweisen, während die US-Indizes von Growth-Aktien dominiert werden.

Letzte Frage: Worauf müssen sich Anleger im Zeitalter der Deglobalisierung einstellen?

Klude: Die Deglobalisierung ist kein neues Phänomen und auch keines, das erst durch Donald Trump und seine Politik entstanden ist. Setzt sich die Deglobalisierung fort, werden Länder, für die der Handel eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielt, zu den Verlieren gehören. Deutschland könnte also langfristig besonders negativ betroffen sein, was im Prinzip auch gegen ein zu hohes Gewicht deutscher Aktien im Portfolio spricht. Allerdings verlaufen diese Trends nie linear. Und wer weiß, vielleicht gibt es mit der neuen US-Regierung zukünftig wieder mehr Impulse für die Globalisierung?

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