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Energie und Industriemetalle Warum die Rohstoffpreise weiter steigen dürften

Kupfer
Kupfer: Die Nachfrage nach vielen Industriemetallen dürfte in den kommenden Jahren deutlich steigen. Das spricht für weiteres Preispotenzial | Foto: Imago Images / VCG

Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Versorgungssicherheit mit Energieträgern und Rohstoffen überlagern aktuell den Umstand, dass das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage in vielen Bereichen schon vor der Krise knapp war: Die Rohstoffmärkte haben im vergangenen Jahr mit einem Plus von knapp 40 Prozent den stärksten Anstieg seit 2009 verzeichnet und damit nicht unerheblich zum weltweiten Inflationsgeschehen beigetragen.

Nach Einschätzung von Tilmann Galler, Kapitalmarkt­stratege bei J.P. Morgan Asset Management, scheint neben der expansiven Fiskalpolitik paradoxerweise ausgerechnet die Energie­wende zum Treiber der Rohstoffpreise zu werden. Aus Anlegersicht könnte der Rohstoffboom ein Treiber für Substanz- und Dividendenaktien werden – weil dort der Anteil an Rohstoff- und Energieunternehmen hoch ist.

Zahlreichen Rohstoffmärkten droht ein Defizit in den nächsten Jahren

Zentralbanken und zahlreiche Marktteilnehmer waren bislang der Ansicht, dass der Anstieg der Rohstoffpreise aufgrund der schnellen wirtschaftlichen Erholung nur temporär ist. „Doch es spricht nicht nur wegen der aktuellen Ereignisse einiges dafür, dass die Welt gerade den Beginn eines neuen Superzyklus bei Rohstoffen erlebt. Denn die Balance zwischen Rohstoffangebot und Nachfrage beginnt sich zu verändern. Zahlreichen Rohstoffmärkten droht in den kommenden Jahren ein Defizit“, stellt Tilmann Galler fest. Wo liegen die Gründe dafür?

Der letzte Rohstoffsuperzyklus von 2002 bis 2011 hat nach Analyse des Ökonomen zu einer enormen Investitionswelle in neue Minen- und Förderprojekte geführt. Die Folgen waren ein überschießendes Angebot und fallende Rohstoffpreise. Im Verhältnis zur globalen Wirtschaftsleistung haben sich in diesem Zeitraum die Rohstoffpreise um 60 Prozent schlechter entwickelt. „Für rohstoffverarbeitende und energieintensive Industrien bedeutete das erhebliche Effizienzgewinne und für Konsumenten eine relative Preisstabilität beim Endprodukt. Doch die aktuellen Entwicklungen deuten in eine andere Richtung“, erklärt Galler.

Zwei wesentliche Gründe für bevorstehenden Rohstoffsuperzyklus

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Tilmann Galler sieht zwei grundlegende Veränderungen in der Wirtschaftspolitik, die die Wahrscheinlichkeit eines neuen Rohstoffsuperzyklus erhöht haben. „Die Pandemie hat zu einer strukturellen Veränderung in der Fiskalpolitik in den Industrieländern geführt. Immer mehr Regierungen sind inzwischen bereit, die niedrigen Finanzierungkosten für eine expansivere Fiskalpolitik zu nutzen. Die zusätzlich induzierte staatliche Nachfrage bedeutet am Ende des Tages eine höhere Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern und damit auch nach Rohstoffen.“

Die zweite entscheidende Weichenstellung finde auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit statt. „Die Verpflichtung der großen Industrienationen, langfristig die Netto-Neuemissionen der Treibhausgase auf null zurückzuführen, verlangt gewaltige Investitionen in die Energieinfrastruktur und das Verkehrswesen sowie schärfere Regulierung, um das Verbrennen fossiler Brennstoffe unattraktiver zu machen. Das Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 macht es erforderlich, den Anteil von Öl und Kohle am Gesamtenergieverbrauch bis 2030 um mindestens 15 Prozent zu senken“, analysiert Galler. Der Ukrainekrieg hat nochmals die Dringlichkeit aufgezeigt, sich zügig unabhängiger von fossilen Energieträgern zu machen.    

Man würde eigentlich erwarten, dass die Aussicht auf zukünftig niedrigere Nachfrage eher zu fallenden Preisen führen sollte – doch der Effekt scheint sich ins Gegenteil zu verkehren. Denn Energie- und Minenunternehmen haben sich mit ihren Investitionsentscheidungen bereits auf die veränderte politische und regulatorische Lage eingestellt. „Seit 2016 reinvestieren die Unternehmen einen immer geringeren Anteil ihrer Erlöse in neue Exploration und schütten das Kapital lieber an die Aktionäre aus. Der aktuelle Mangel an Investitionen kann in einigen Jahren zu einer strukturellen Unterversorgung in zahlreichen Schlüsselrohstoffen führen“, sagt Galler.

Nachfrage nach Industriemetallen wird deutlich steigen

Bei fossilen Energieträgern möge eine strukturelle Unterversorgung politisch sogar als notwendiges Übel erwünscht sein, da steigende Preise für Kohle und Öl ein noch größerer Anreiz für treibhausgasarme Produktionsverfahren und den Umstieg auf erneuerbare Energien seien.

Bei Industriemetallen hingegen sei die Lage eine andere, denn diese seien essenziell für den Erfolg der Energiewende. „Der steigende Bedarf an Batterien aufgrund der Elektrifizierung der Mobilität und der Ausbau des Stromnetzes verschlingen zusätzliche Mengen an Kupfer, Nickel, Aluminium und Kobalt. Die Nachfrage nach diesen Rohstoffen und das Preispotenzial werden sich in den nächsten Jahren signifikant erhöhen“, ist Galler überzeugt.

Für die zukünftige Ertragskraft der Rohstoff- und Energieunternehmen seien das gute Nachrichten – für Konsumenten und Effizienzgewinner der letzten zehn Jahre jedoch eher beunruhigende Aussichten. Gallers Fazit: „Aus Investorensicht kann ein neuer Rohstoffsuperzyklus zu einer tektonischen Verschiebung an den Börsen führen. Substanzwerte und Dividendenaktien, die großen Verlierer des vergangenen Jahrzehnts, haben aufgrund des relativ hohen Anteils an Rohstoff- und Energieunternehmen zukünftig kräftigen Rückenwind.“

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