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Aktualisiert am 24.01.2017 - 18:15 Uhrin Anleihemärkte: Analysen & PrognosenLesedauer: 9 Minuten

Warum Nicolas Forest nicht glaubt, dass die Anleihenblase platzt „Eine neue Phase in der Geldpolitik“

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Was kann die EZB angesichts dieser Auswirkungen tun?

Forest: Die Leitzinsen weiter zu beschneiden scheint nicht sehr erfolgversprechend zu sein, da diese Maßnahme gravierende Folgen für die Banken hat, aber die Inflation kaum beeinflusst. Und wie wir wissen, ist Geldpolitik stets ein Balanceakt. Betrachten wir jedoch die heutige Lage, sind die positiven Effekte geldpolitischer Lockerungen immer weniger offensichtlich.

Also sollte sich die EZB zu einer Straffung durchringen?

Forest: Eine Straffung der Geldpolitik erwarten wir ebenfalls nicht. Aber wir rechnen damit, dass sich die Phase der geldpolitischen Lockerung ihrem Ende zuneigt – sozusagen der Anfang vom Ende, dem eine neue Geldpolitik, also ein neues geldpolitisches Regime, folgt.

Wir befinden uns an einer Stelle des Konjunkturzyklus, an dem es nicht mehr viel Aufwärtspotenzial gibt. Besteht in dieser Situation die Gefahr einer Stagflation?

Forest: Eine sehr gute Frage. Wenn wir uns das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den USA zwischen 1999 und 2008 anschauen, betrug der Durchschnitt 3,2 Prozent. Nach der Krise näherte sich der Wert 1,3 Prozent an. Unsere Experten glauben, dass der Durchschnitt des US-BIP vom heutigen Stand auf 1,9 Prozent wachsen könnte. Das Wachstum ist also langsamer als vor der Finanzkrise – das liegt an der demographischen Entwicklung, aber auch an der Verlangsamung der Produktivitätsgewinne. Das ist natürlich schlecht für das globale Wachstumsumfeld, denn wir haben somit ein geringeres Potenzialwachstum. Angesichts dieser Daten ist die Gefahr einer Stagflation durchaus gegeben – allerdings nicht auf kurzfristige, sondern auf lange Sicht.

Die Inflation ist im Verlauf des vergangenen Jahres geringfügig gestiegen und liegt nun bei 1,7 Prozent. Ist bereits Grund zur Sorge gegeben?

Forest: Inflation könnte kurzfristig positiv sein; langfristig können wir ihre Folgen aber nicht absehen. Wir befinden uns heute in einem reflationären Umfeld – mit einer Erholung der Rohstoffpreise und strukturellen Veränderungen bei der Inflation. Deswegen glauben wir, dass die Inflation sich noch weiter beschleunigen wird. Und ausgeprägter Protektionismus und eine starke Geldentwertung könnten eine starke inländische Inflation verursachen, die das Wirtschaftswachstum negativ beeinflusst.

Und eine schwache Wirtschaft würde die Zentralbanken daran hindern, die Leitzinsen anzuheben?

Forest: So ist es. Aus diesem Grund erwarten wir in den kommenden Monaten keinen bedeutenden Abverkauf. Denn: Nachdem wir eine starke Erholung der Leitzinsen beobachtet haben, erwarten die meisten Marktteilnehmer Zinssätze von bis zu 3,5 bis 4 Prozent für zehnjährige Staatsanleihen. Ich rechne allerdings nicht damit. Ich erwarte eine Normalisierung. Doch Versicherer, Unternehmen oder Investoren werden US-Treasuries, also US-Staatsanleihen kaufen. Jedoch ist es nicht möglich, die Leitzinsen auf vier Prozent zu heben, wenn die Wachstumsrate der Wirtschaft nur zwei Prozent beträgt. Denn dann haben wir ein Stagflationsproblem mit hoher Inflation und geringem Wirtschaftswachstum – eine Kombination, die sich sehr negativ auf die weitere Konjunkturentwicklung auswirken könnte. Und in diesem Fall – wenn die Gefahr einer Stagflation groß ist und die Wirtschaft schwächelt – müssten die Zentralbanken die Geldpolitik wieder anpassen.

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