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Börse und Bundestagswahl, Teil 2 Welche Branchen die Wahl ganz genau verfolgen

Futuristischer Mercedes-Benz auf der Internationalen Automobil-Ausstellung
Futuristischer Mercedes-Benz auf der Internationalen Automobil-Ausstellung: Die Zukunft der Mobilität hängt auch davon ab, wer das Steuer im Kanzleramt übernimmt | Foto: imago images / Lackovic

Während CDU/CSU und FDP die Steuern senken möchten – oder zumindest nicht erhöhen –, plädieren SPD, Grüne und Die Linke für eine stärkere Belastung hoher Einkommen. Gleichzeitig haben letztere die Vermögenssteuer ebenso im Programm wie eine Erhöhung des Mindestlohns. Beim Klimaschutz sind sich alle Parteien zumindest in einem Punkt einig: Es muss mehr getan werden. Wie genau die Erderwärmung bekämpft werden soll, ist jedoch umstritten. Mehr Staat oder mehr Markt – das ist hier grob gesagt die Frage. Klar: Je nach Koalition werden die Regierungsparteien Kompromisse machen müssen. Ein reines „weiter so“ ist aber ganz unabhängig vom Wahlausgang unwahrscheinlich. Welche Branchen werden vor diesem Hintergrund die Bundestagswahl ganz genau im Blick haben?

Wahl betrifft alle Wirtschaftszweige

„Diese Wahl betrifft alle Wirtschaftszweige“, sagt Thomas Kruse, CIO Amundi Deutschland. Im Fokus stünden dabei jedoch zum einen die Automobilindustrie und ihre Zulieferer. „Stichwort: Verbrennungsmotor mit nicht-fossilen Brennstoffen oder reine Fokussierung auf den E-Motor.“ Zum anderen nennt Kruse die Energieunternehmen, die im Spannungsfeld zwischen der Umstellung auf erneuerbare Energien und einem möglichen Vorziehen des Braunkohleausstiegs agieren.

Bei Projekten wie dem grünen Wandel oder dem Ausbau des Mobilfunkstandards 5G geht er mittel- bis langfristig davon aus, dass der Staat in einem stärkeren Maße als bisher investieren sowie Investitionsanreize schaffen wird. Das könnte sich auch auf den Staatshaushalt auswirken: „Unabhängig von den möglichen Konstellationen rechne ich damit, dass wir eine höhere Staatsverschuldung bekommen.“

Wie geht’s mit der Autoindustrie weiter?

Auch Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege im Market Insights-Team von J.P. Morgan Asset Management, nennt die Autoindustrie an erster Stelle: „Sie wird mit großer Spannung die weitere Zukunft des Verbrennungsmotors, das Ausmaß der staatlichen Subventionen alternativer Antriebe und die Entwicklung der Unterhaltskosten, etwa für Kraftstoffe und Kfz-Steuern, sowie der Pendlerpauschale beobachten.“ Alle diese Komponenten hätten erheblichen Einfluss, „nicht nur auf die Kostenstruktur der Unternehmen, sondern auch auf das Absatzpotential.“

Galler geht außerdem davon aus, dass energieintensive Branchen wie die Stahl- und Chemieindustrie genau beobachten werden, ob und welche Produktionsprozesse noch eine Zukunft in Deutschland haben. „Das wird sehr stark davon abhängig sein, wie umfangreich die Verfügbarkeit von CO2-Zertifikaten und wie hoch der CO2-Preis sein werden“, so der Kapitalmarktstratege. „Weiterhin wird die weitere Entwicklung des Strompreises für Industrieunternehmen entscheidend sein.“

Herausforderungen könnten Immobilienunternehmen gegenüberstehen, sofern „die Anforderungen an die Energieeffizienz nicht nur bei Neubauten, sondern auch von Bestandsimmobilien verschärft werden“. Noch schwieriger würde die Situation, wenn die Weitergabe der Kosten durch Mietpreisdeckel erschwert werden sollte. Die Branche der regenerativen Energieerzeugung dürfte aus Sicht Gallers hingegen einer der Hauptprofiteure im Kampf gegen den Klimawandel sein.

Energiepolitik als entscheidendes Thema

Apropos Energie: Auch aus Sicht von DWS-Europa-Chefvolkswirt Dr. Martin Moryson ist das ein entscheidendes Thema. Laut Moryson sind es die „üblichen Verdächtigen“, die die politischen Entwicklungen genau im Auge behalten werden. Konkret: Konventionelle sowie im Bereich der erneuerbaren Energien tätige Energieversorger, CO2-intensive Sektoren wie das verarbeitende Gewerbe, der Bergbau, der Transport und dabei insbesondere der Flugverkehr, sowie die Immobilienbranche. „Letztere könnten auch noch aufgrund anderer politischer Präferenzen unter einer rot-grün-roten Regierung leiden, ebenso wie die Rüstungsindustrie.“

Dr. Götz Albert, CIO und Managing Partner bei Lupus Alpha, nennt ebenfalls „alle Branchen, die einen hohen Energieverbrauch haben und neben sicher zu erwartenden höheren Energiepreisen mittlerweile auch von Sorgen wegen der Versorgungssicherheit geplagt werden.“ Außerdem verweist er auf die Steuerpolitik: „Unternehmen, die Steuern zahlen, müssten bei einer eventuellen Vermögensbesteuerung mit den Folgen einer Substanzbesteuerung umgehen – darunter negative Anreizeffekte oder dämpfende Wirkungen auf Investitionen.“

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Umweltschutz als Chance

„Die Frage, wie der Standort Deutschland zukünftig gestärkt wird“, steht für Dr. Hans-Jörg Naumer, Leiter Kapitalmarktanalyse bei Allianz Global Investors, im Mittelpunkt. Zumal sich das Land gerade von den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie erhole. „Das ist eine die Wirtschaftszweige übergreifende Frage. In deren Kontext ist auch die Debatte um die Vermögenssteuer zu sehen, die drei der fünf Parteien mit Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung im Programm haben.“

Beim Klimaschutz verweist Naumer auf die Chancen: „Mit einem Weltmarktanteil von 14 Prozent im Bereich Umwelttechnologie hat Deutschland eine echte Chance, Exportweltmeister in Sachen Klimaneutralität zu werden.“

Emissionshandel spielt eine wichtige Rolle

Dr. Christian Jasperneite, Chef-Anlagestratege bei M.M.Warburg & CO, sieht den Einfluss der deutschen Politik auf das Weltklima ohnehin begrenzt: „Im Wahlkampf wird den Menschen suggeriert, dass die deutsche Klimapolitik ein entscheidender Faktor in der kommenden Legislaturperiode sein wird. Dabei wird negiert, dass für die meisten CO2-intensiven Produktionsbereiche gar nicht die deutsche Klimapolitik relevant ist, sondern die Ausgestaltung des europäischen Emissionshandels.“

Dabei sei durchaus zu erwarten, dass das Angebot an verfügbaren Emissionsrechten über das bisher geplante Niveau hinaus verknappt wird. „Das könnte hier und da ziemlich weh tun, hat aber einen merklichen Effekt auf den CO2-Reduktionspfad und ist daher zu begrüßen“, sagt Jasperneite. „Aber mit der Bundestagswahl hat das gar nichts zu tun, das wird nicht in Deutschland entschieden und wird auch nicht nur in Deutschland umgesetzt.“ Es sei ohnehin verwunderlich, wie wenig die deutschen Politiker wahrhaben wollen, dass dieses Thema längst durch internationale Mechanismen dominiert wird und nicht mehr durch kleinteilige deutsche Politikansätze.

Tilmann Galler ergänzt zum Thema CO2-Zertifikate: „Exportunternehmen mit einem hohen Anteil an Exporten nach Asien dürften mit einer gewissen Sorge auf die Möglichkeit eines CO2-Grenzausgleichs blicken – insbesondere, wenn sich die internationale Staatengemeinschaft nicht auf einen gemeinsamen Preis für die CO2-Zertifikate einigen kann.“ Eine Koalition mit Beteiligung der Grünen wäre in diesem Fall ein starker Befürworter für eine europäischer Vorreiterrolle, wodurch auch die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs in Brüssel eine gewichtige unterstützende Stimme aus Deutschland hätte. „Die Belegung ausländischer CO2-intensiver Importe mit einer Art CO2-Strafzoll birgt die Gefahr von Vergeltungsmaßnahmen der Handelspartner und der Ausweitung zu einem Handelskonflikt.“

Was bedeutet die Wahl für Anleger?

Wie sollten sich Anleger nun hinsichtlich der Bundestagswahl positionieren? Für Christian von Engelbrechten, der bei der Fondsgesellschaft Fidelity den Germany Fund managt, spielt der Wahlausgang in seinen Überlegungen zur Fondspositionierung „eine untergeordnete Rolle“.

Entscheidend seien für ihn die langfristigen Wachstumspotenziale der Unternehmen durch neue Produkte, Marktanteilsgewinne, Megatrends und gute Investitionen. Von Engelbrechten: „Mal abgesehen von den Unsicherheiten zum Wahlausgang selbst und der Regierungsbildung: Unternehmen sind dynamisch und können sich auf unterschiedliche Rahmenbedingungen einstellen. Das haben die deutschen Firmen in der Vergangenheit schon gezeigt. Die globale Prägung vieler Unternehmen macht sie auch weniger abhängig von den Entwicklungen in Deutschland.“

Im ersten Teil unseres Beitrags zur Bundestagswahl erfährst du, wie sich das Ergebnis auf die Kapitalmärkte auswirken könnte.

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