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Aktualisiert am 06.05.2021 - 09:37 Uhrin Nachhaltigkeit, ESG & SRILesedauer: 5 Minuten

Mitspracherecht für Anleger „Wir gewichten die Nachhaltigkeitskriterien, wie von den Anlegern gewünscht“

Nachhaltige Auswahl
Nachhaltige Auswahl: Im Degussa Bank Nachhaltigkeitsfonds Akzentuiert entscheiden die Anleger, welche ESG-Kriterien eine besonders große Rolle spielen | Foto: IMAGO / Westend61

Herr Flossdorf, Herr Katzarski, wie entstand die Idee für den Degussa Bank Nachhaltigkeitsfonds Akzentuiert, dessen Investoren über seine Nachhaltigkeitsschwerpunkte abstimmen können?

Svilen Katzarski: Für ESG-Ratings spielen mehr als 250 Faktoren eine Rolle. Bei unseren Diskussionen im Team haben wir gemerkt, dass jeder andere Schwerpunkte setzt. Dem einen war zum Beispiel gute Unternehmensführung besonders wichtig, dem anderen das Umweltmanagement. Wir haben uns gefragt, ob es möglich wäre, ein individuell auf unsere Präferenzen zugeschnittenes Rating zu entwickeln. Daraus entstand letztlich die Idee: Warum fragen wir nicht die Anleger, was ihnen besonders wichtig ist und setzen die Ergebnisse in unserem Fonds um?

Bevor der Fonds an den Start ging, haben Sie also potenzielle Investoren zu ihren Prioritäten befragt. Wie war die Resonanz und was waren die Ergebnisse?

Andreas Flossdorf: Wir haben zunächst in einer Art Probelauf unsere eigenen Mitarbeiter, im Anschluss unsere Bestandskunden sowie Interessierte außerhalb des eigenen Kundenkreises befragt. Denn wir brauchten eine Indikation für unser Fondsmanagement, wo die Reise hingehen soll. Das Ziel waren mindestens 1.000 Befragte, damit wir eine breite Basis haben. Schließlich hatten wir 1.400 Teilnehmer.

Interessant für uns war, dass die Ergebnisse innerhalb der Bank ungefähr denen der externen Umfragen entsprachen. Die wichtigste Botschaft: Umweltmanagement sowie Ökoeffizienz waren mit jeweils knapp 20 Prozent den Teilnehmern am wichtigsten. 17 Prozent legten besonderen Wert auf Gesellschaft- und Produktverantwortung. Die weiteren drei Kategorien lagen sehr dicht beieinander: Produkte und Dienstleistungen, Mitarbeiter und Zulieferer, aber mit nur wenig Abstand dazu auch Corporate Governance und Wirtschaftsethik. Bei letzterem Aspekt hätten wir eigentlich gedacht, dass Privatanleger damit weniger anfangen können. Daran sieht man schon: Die Umfrage hat Sinn gemacht. Denn hätten wir die Zusammensetzung vorgenommen, hätte die Gewichtung wohl etwas anders ausgesehen. Die Anleger haben uns aber gezeigt: Das Thema ist uns ebenfalls wichtig.

Wie übersetzen Sie und ihre Kollegen im Fondsmanagement diese Ergebnisse nun ins Portfolio, Herr Katzarski?

Katzarski: Wir haben versucht, einen möglichst transparenten Investmentansatz zu finden, um die Prioritäten der Kunden umzusetzen. Zunächst haben wir bestimmte Ausschlusskriterien. Unternehmen, die biologische, chemische und atomare Waffen oder auch Streumunition und Antipersonenminen produzieren, sind kategorisch ausgeschlossen. Das gilt auch für Konzerne, die mehr als 5 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle, Öl, konventionellen Waffen oder Tabak erzielen.

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Bei allen weiteren Unternehmen aus unserem globalen Anlageuniversum wählen wir in unseren sechs ESG-Kategorien nach dem Best-in-Class-Prinzip die besten Unternehmen aus. Dabei genügt es aber nicht, wenn ein Unternehmen nur in einem der Bereiche besonders gut abschneidet. Es muss bei allen sechs Kriterien gewisse Standards erfüllen. Darauf basierend wählen wir die besten Anlageziele in den jeweiligen Kategorien aus, damit die Schwerpunkte so gewichtet sind wie von den Kunden gewünscht. Das Ziel ist aber nicht nur, besonders nachhaltige Unternehmen auszuwählen, sondern natürlich auch einen Wertzuwachs für unsere Anleger zu erzielen. Daher unterziehen wir alle potenziellen Anlageziele auch einer umfassenden Fundamentalanalyse, um günstige Chancen zu finden. Wir verstehen Nachhaltigkeit als das Streben nach langfristigem Wachstum. Das heißt: Nur Unternehmen, die ESG-Kriterien entsprechen, können aus unserer Sicht langfristig bestehen und Erfolg haben – und in die wollen wir investieren.

Nach einem Jahr am Markt steht dann die jährliche Investoren-Befragung an. Dafür werden dann nur die Fonds-Anleger befragt?

Flossdorf: Genau. Die erste Umfrage haben wir durchgeführt, um eine Startgewichtung für den Fonds zu haben und ein Gefühl dafür zu bekommen, in welche Richtung es geht. Zukünftig werden wir den jeweiligen Anteilseignern im Zuge der jährlichen Ausschüttungen die Möglichkeit geben, erneut ihre Präferenzen mitzuteilen. Wenn ein neues Kriterium vom Fondsmanagement vorgeschlagen wird, um die Gewichtung den Marktgegebenheiten und Entwicklungen anzupassen, kann sich die Umfrage natürlich auch verändern.

Besteht nicht die Gefahr, dass sehr erfolgreiche Wertpapiere weichen müssen, wenn sich die Kundenpräferenzen ändern?

Flossdorf: Wir bedienen uns bei der Bewertung der ESG-Kriterien bei der Rating-Agentur ISS, wo wir mit einem Anlageuniversum von über 50.000 Aktien anfangen. Nach den ersten groben Einschränkungen wird dieses Portfolio auf etwa 800 Aktien runtergefahren. Selbst wenn man sich dann die Ratings noch einmal genauer anschaut, nach dem Best-in-Class-Verfahren vorgeht und Fundamentalanalyse betreibt, sind noch genügend Variationsmöglichkeiten vorhanden, um entsprechend zu reagieren. Die Frage ist allerdings: Wenn ich als Anleger auf das Portfolio schaue und sehe, dass alles wunderbar gelaufen ist, warum sollte ich dann eine neue Allokation vornehmen lassen wollen? Der zweite Punkt ist: Wir haben in den bisherigen Umfragen gelernt, dass die Schwankungen in den einzelnen Kategorien gar nicht so groß sind, wie wir ursprünglich erwartet hatten. Deswegen sind die Auswahlmöglichkeiten immer noch groß genug, um erfolgreiche Papiere im Portfolio zu behalten. Und schlussendlich muss man natürlich sagen, dass die Anlegerpräferenzen eine Indikation sind. Wir schauen also, dass wir uns an der Bandbreite orientieren – ganz exakt wird es sowieso nicht gehen, da wir eben Aktien kaufen und nicht in Bruchstücke investieren können.

Katzarski: Es ist auch deswegen eine Indikation, weil sich die ESG-Bewertungen ebenfalls dynamisch ändern. Auch Aktien, die wir gekauft haben, können teurer werden und dementsprechend weniger attraktiv und umgekehrt. Das sind natürliche Gründe für eine Umschichtung, die wir deswegen auch nicht als Risiko betrachten, sondern als einen Bestandteil unseres aktiven Fondsmanagements. Es könnte auch sein, dass die Befragungsthemen sich ändern oder erweitern. Ein interessantes Thema wäre zum Beispiel die verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung. Es könnten aber auch andere dazu kommen. Das alles ist möglich und deswegen sind Umschichtungen im Portfolio nichts Ungewöhnliches.

Haben Sie noch weitere Pläne im ESG-Bereich?

Katzarski: Wir möchten auf jeden Fall im Bereich Aktien bleiben. Denn damit man Wirkung erzielen kann und Einfluss auf die Unternehmenspolitik hat, benötigt man Stimmrechte. Diese bekommt man nur, wenn man Aktionär ist. Die nächste Stufe ginge dann vielleicht in Richtung Impact-Fonds nach Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung. Bisher ist aber nichts in der konkreten Umsetzung.

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