Christoph Fröhlich
21.01.2022

Fitness verloren Peloton-Aktie crasht – Chronologie eines Börsen-Desasters

Peloton wollte mit smarten Fitnessrädern zum Börsenstar werden, umso brutaler ist der Absturz
Peloton wollte mit smarten Fitnessrädern zum Börsenstar werden, umso brutaler ist der Absturz
© der fonds / Peloton

Es gibt nicht viele Geräte, die weniger Glamour ausstrahlen als ein Fahrradtrainer. Meist werden sie mit großen Ambitionen angeschafft, doch nach wenigen Monaten fristen sie ein tristes Dasein als sperrig designte Klamottenablage. Insofern war es bemerkenswert, wie es John Foley gelang, innerhalb weniger Jahre sein Start-up Peloton zum Milliardenbusiness aufzupumpen. 

Foley stattete die Heimtrainer mit großen Touchscreens aus, über die man vernetzt mit anderen Peloton-Besitzern an Live-Workouts teilnehmen konnte. Für den Coolness-Faktor und die Exklusivität verlangte Foley im Gegenzug 2.000 US-Dollar und mehr für seine High-Tech-Ergometer. Viel Geld, wenn man auch einfach ins Fitnessstudio gehen könnte.

Doch dann kam Corona. Fitnessstudios und Sportvereine auf der ganzen Welt schlossen eilig ihre Türen und Foley sah seine Stunde gekommen. Die Nachfrage nach Trainingsgeräten schnellte in die Höhe, Peloton war einer der großen Krisenprofiteure. Das spiegelte sich auch im Aktienkurs wider: Im März 2020 notierte Peloton bei unter 20 Euro, Ende 2020 bei mehr als 130 Euro. Was für eine Rallye! Peloton wurde bereits als das „Apple der Fitnessräder“ bezeichnet.

Doch mit fortschreitenden Impfungen und Lockerungen nahm die Fitness der Aktie ab: Bis zum Herbst 2021 fiel sie auf 80 Euro.

Und die großen Crashs standen erst noch bevor. 

Anfang November kappte die New Yorker Firma die Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr um bis zu eine Milliarde US-Dollar. Der Verkauf der Fitness-Geräte schrumpfte, eine Preissenkung sorgte nur für kurzzeitige Erholung. Der Peloton-Kurs stürzte um mehr als 32 Prozent ab und pendelte sich schließlich um die 40 Euro ein. Jedenfalls bis zum 9. Dezember.

Dann kam der zweite Crash. 

Ein fiktiver Tod reißt Peloton in die Tiefe

Am 9. Dezember feierte die Erfolgsserie „Sex and the City“ auf HBO (hierzulande bei Sky) ihr Comeback. Frauenherzen auf der ganzen Welt schlugen höher, an der New Yorker Ninth Avenue sorgte die Ausstrahlung dagegen für ein kleines Beben: Am Peloton-Hauptsitz herrschte Alarmstufe Rot.

Denn die in „Sex and the City“ beliebte Figur Mr. Big, verkörpert von Schauspieler Chris Noth, erleidet am Ende der ersten Episode einen Herzinfarkt nach einer ausgiebigen Trainings-Session auf einem Peloton-Bike. Nun könnte man meinen, das New Yorker Unternehmen hätte schon mehr durchgemacht als den fiktiven Tod einer Serienfigur. Doch viele Kleinanleger stießen ihre Anteilsscheine im großen Stil ab. Am Tag nach der Ausstrahlung sackte der Peloton-Kurs an der Tech-Börse Nasdaq um 18 Prozent ab. Danach kletterte der Kurs nie mehr über 40 Euro.

Von den üblichen Neujahrsvorsätzen schien Peloton ebenfalls nicht zu profitieren, der Kurs rutschte im Laufe des neuen Jahres auf 28 Euro. Dann veröffentlichte der US-Sender CNBC am 20. Januar 2022 einen folgenschweren Bericht über einen Produktionsstopp.

Es folgte der dritte Crash.

Peloton-Aktie rauscht in den Keller

CNBC berichtet aus internen Dokumenten, wonach Peloton die Fahrradproduktion für zwei Monate unterbrechen werde. Zuvor wurde im Dezember bereits die Produktion des teuren Modells Bike+ eingestellt.

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Dem CNBC-Bericht zufolge sei die Nachfrage nach den smarten Fitnessgeräten massiv eingebrochen, weil viele Wettbewerber zum Teil günstigere Geräte anbieten. Zum anderen habe das Top-Management von Peloton die Nachfrage völlig falsch eingeschätzt. Viele Käufe seien durch die Corona-Pandemie vorgezogen gewesen, dementsprechend stauten sich nun Tausende Laufbänder und Fahrräder in Lagerhallen und auf Frachtschiffen rund um den Globus. 

Peloton schließt Läden

Die Verantwortung für die Misere übernimmt jedoch nicht die Führungsriege von Peloton. Um die Kosten zu senken und den Aktienkurs anzukurbeln, arbeitet Peloton Berichten zufolge mit dem Beratungsunternehmen McKinsey zusammen. Zu den geplanten Maßnahmen zählt Personalabbau, der bereits beschriebene Produktionsstopp, eine Preiserhöhung und das Schließen von 15 Läden.

Zugleich sollen die Beschäftigten auf niedriger Ebene mit zusätzlicher Arbeit belastet werden. „Die Moral ist auf einem absoluten Tiefpunkt“, sagte ein Mitarbeiter gegenüber CNBC. Dem Bericht zufolge könnten 40 Prozent des Vertriebs- und Marketingteams ihren Job verlieren. „Wir können es uns ziemlich einfach machen, indem wir einfach die leistungsschwachen Mitarbeiter aussortieren“, soll eine Führungskraft in einer Besprechung gesagt haben, die dem Sender vorliege.

Das sagt der Peloton-Chef

Peloton-Chef John Foley hat bereits auf den Bericht reagiert und die Flucht nach vorne angetreten. Er bezeichnete den Artikel als „unvollständig, aus dem Zusammenhang gerissen“. Er spiegele „nicht die Strategie von Peloton wider“. Gerüchte, wonach die Produktion von Fahrrädern und Laufbändern eingestellt werde, seien „falsch“.

Man habe bereits einen Informanten identifiziert, der Material an die Medien zugespielt habe, und werde „die entsprechenden rechtlichen Schritte einleiten“. Die Entlassungen seien noch nicht in Stein gemeißelt, fährt Foley fort: „In der Vergangenheit haben wir immer gesagt, dass Entlassungen der absolut letzte Hebel wären, den wir jemals zu ziehen hoffen würden. Jetzt müssen wir jedoch unsere Organisationsstruktur und die Größe unseres Teams mit äußerster Sorgfalt und Mitgefühl überprüfen. Und wir sind immer noch dabei, alle Optionen im Rahmen unserer Bemühungen, unser Unternehmen flexibler zu gestalten, zu prüfen.“

Foley zeichnet rosige Peloton-Zukunft

Überraschend gab Peloton einige Einblicke in die Zahlen: Zwar liege die Zahl der zahlenden User mit 2,77 Millionen unter den ursprünglich angepeilten 2,8 bis 2,85 Millionen. Der Verlust werde jedoch voraussichtlich bei 260 bis 270 Millionen US-Dollar liegen statt den ursprünglich berechneten 325 bis 350 Millionen. 

Überhaupt bemüht sich Foley in seinem Memo an die Belegschaft, eine rosige Zukunft für Peloton zu zeichnen: So lag die Churn Rate, also die Abwanderungsrate, bei 0,79 Prozent. „Das bedeutet, dass unsere Mitglieder uns treu bleiben, was wir wiederum Ihrer Genialität und kontinuierlichen Innovation zu verdanken haben“, schreibt er an seine Mitarbeiter:innen. „Erst vor wenigen Tagen haben wir mit über 2,9 Millionen Workouts die höchste Zahl an täglichen Trainingseinheiten verzeichnet, die es je gab.“

Es sind wenige Lichtblicke am düsteren Abgrund. Am Freitagmorgen nach dem dritten Crash erholte sich der Kurs um wenige Prozent. Für Peloton dürfte es schwer werden, wieder in die Gänge zu kommen.

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