Auf Liebgewonnenes verzichten, den Lebensstandard herunterschrauben? Das wollen die Allerwenigsten. Schon gar nicht im Ruhestand, wenn es endlich an der Zeit ist, das Leben ohne berufliche Verpflichtungen zu genießen. Dennoch werden viele finanziell auf der Bremse stehen müssen, anstatt den Turbo anzuwerfen und sich langgehegte Träume zu erfüllen. Jedenfalls dann, wenn sie sich bei ihrer Altersvorsorge ausschließlich auf die gesetzliche Rentenversicherung verlassen.
Dann droht nämlich das, was Fachleute Versorgungslücke nennen. Gemeint ist die Differenz zwischen dem letzten Nettogehalt und der ausgezahlten Rente. Die kann locker etliche hundert Euro betragen. Wie hoch die persönliche Rentenlücke aller Voraussicht nach ausfällt, kann sich übrigens jeder in wenigen Minuten im Internet selbst ausrechnen: Kreditinstitute oder der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) bieten einen entsprechenden Rechner an.
Wie stabil ist das Drei-Säulen-Modell für die Altersvorsorge?
Das Problem ist bekannt – daher werden Politik und Deutsche Rentenversicherung nicht müde, das sogenannte Drei-Säulen-Modell zur Altersvorsorge zu propagieren: Zur gesetzlichen Rentenversicherung als erster Säule kommen als zweiter und dritter Pfeiler die betriebliche Altersvorsorge sowie die private Vorsorge hinzu.
Bei der praktischen Umsetzung des Modells hapert es jedoch. Das Fundament für die zweite Säule ist beispielsweise längst nicht überall vorhanden. Wie das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte in einer Studie zum Thema herausgefunden hat, verfügten 2020 hierzulande gerade einmal 41 Prozent der befragten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer über die Möglichkeit, über ihren Arbeitgeber von einer betrieblichen Altersversorgung zu profitieren.
Lebensversicherung unrentabel, Riester-Rente ein Flop
Kein Wunder also, dass die private Vorsorge immer wichtiger wird. Diese Nachricht hat jeder schon gehört – sie wird aber immer wieder verdrängt. Das mag auch daran liegen, dass die Renditen bei den Klassikern der Geldanlage in den vergangenen Jahren eher mau waren. Beispiel kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen: Seit dem Jahr 2000 sinkt der Garantiezins, mit dem das angesparte Kapital mindestens verzinst werden muss, auf neu abgeschlossene Policen kontinuierlich. 2022 geht’s nochmal nach unten: Von 0,9 Prozent auf 0,25 Prozent. Zum Vergleich: 1999 hatte der Garantiezins noch bei 4 Prozent gelegen.
Die 2002 eingeführte staatliche geförderte Riester-Rente hat seither ebenfalls deutlich an Strahlkraft verloren. Vor allem, weil sich die Anbieter oft fürstlich entlohnen lassen, während bei den Kunden viel zu wenig ankommt. Klaus Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband hält das Modell deshalb für einen Flop: „Die Riester-Rente ist nicht reformierbar. Konsequenz muss sein, sie abzuschaffen.“
ETFs als günstiger und flexibler Baustein der Altersvorsorge
Was also tun, um fürs Alter vorzusorgen? Eine mögliche Antwort lautet: In ETFs investieren. Das Kürzel ETF steht für Exchange-Traded-Fund. Diese börsengehandelten Fonds bilden ein Börsenbarometer ab – beispielsweise den Dax. Die meisten ETFs bauen Aktienindizes nach. Es gibt aber auch welche auf beispielsweise Anleiheindizes. Ob ein ETF im Wert steigt oder fällt, hängt von der Entwicklung der jeweiligen Blaupause ab.
Neugierig geworden?
Wer in einen ETF statt in einen Einzelwert investiert, tut automatisch das, was Experten raten: Er sorgt für eine breite Risikostreuung. Für Patrick Hahn, Fondsanalyst in der Commerzbankzentrale in Frankfurt, ist das einer der großen Pluspunkte. „ETFs bieten Anlegern die Möglichkeit, sich an vielen unterschiedlichen Unternehmen zu beteiligen – und dies über Branchen und Grenzen hinweg“, sagt er. Einer der am breitesten aufgestellten ETFs ist der MSCI World Index, der Aktien von mehr als 1.600 Unternehmen aus entwickelten Ländern weltweit enthält. Dabei sind ETFs günstig und bieten hohe Flexibilität: Durch den Börsenhandel ist der Kauf und Verkauf unkompliziert, Einstiegs- und Ausstiegskurse sind jederzeit transparent.
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Welcher ETF ist der passende?
Welcher ETF die richtige Wahl ist, hängt insbesondere von den Interessen und der Risikoneigung der Anlegerin oder des Anlegers ab. „Schwankungen kommen natürlich auch bei ETFs vor. Deshalb sollte man bei der Auswahl genau hinschauen: Wählt man einen ETF, der sich auf eine bestimmte Branche wie Technologie oder Biotechnologie oder einen Länderindex bezieht? Oder vielleicht einen, der die unterschiedlichen Regionen der Erde oder gleich die ganze Welt abbildet?“, sagt Commerzbanker Patrick Hahn. Tatsächlich ist die Auswahl an ETFs enorm. Dabei spielt auch das Thema Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. Hahn beobachtet, dass immer mehr Anleger ganz gezielt in ETFs investieren, die bestimmte Schwerpunkte setzen. Etwa wenn es um den CO2-Ausstoß, soziale Themen oder den sorgsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen geht.
Egal, auf welchen ETF die Entscheidung fällt: Fondsexperte Hahn rät, ETFs als eher langfristige Anlageform zu betrachten. „So lassen sich auch eventuelle Schwankungen auffangen“, sagt er. Wer langfristig denkt und in einen ETF-Sparplan investiert, kann zudem vom Cost-Average-Effekt profitieren. Anleger, die regelmäßig einen bestimmten Betrag in ETFs investieren, erwerben während steigender Kurse zwar weniger Anteile, dafür aber umso mehr, wenn´s mal bergab geht.
Einstieg schon mit kleinen Beträgen
Viele Banken und Sparkassen, aber auch Online-Broker bieten den Einstieg bereits für sehr überschaubare Summen an. Kein Wunder also, das immer mehr Anleger auch hierzulande die Chancen von ETFs nutzen wollen. Der Trend ist eindeutig: Ende des ersten Quartals 2021 wurden in Deutschland laut BVI 190 Milliarden Euro in ETFs angelegt. 21 Milliarden mehr als Ende 2020. Klar, ein Teil davon entfällt auf den Wertzuwachs aufgrund der starken Börsenentwicklung. Der Anstieg zeigt aber auch, dass immer mehr Menschen davon profitieren und ihr Ziel erreichen wollen: Den Ruhestand ohne finanzielle Einschränkungen zu genießen.